Was, wenn ich irgendwann falsch abgebogen bin?, also das
hier gar nicht meine Realität ist, sondern die eines anderen? Seit
Star Trek kann ich nicht mehr klar denken, wenn es um temporale
Anomalien geht, die haben das alles versoapt, und doch ist es fies,
wenn es passiert, was mir nun passiert. Denn inzwischen zweifle
ich, seit Andrea mir überall begegnet.
Zuerst habe ich es für einen Zufall gehalten, dass im
Bahnhofskiosk letzte Woche am Dammtor die neue Bedienung genauso
aussah, wie Andrea. Nur jünger, also genauso alt, wie Andrea eben war,
als wir uns zuletzt sahen. Anfang 20, und lächelte auch genauso, so frisch erfahren und doch so jung.
Und echt jetzt, ich war überrascht, als nächsten Morgen dieselbe
muffige Bagelverkäuferin da stand, wie die letzten drei Jahre, als
sei nix gewesen. Und heute? 200 Kilometer weiter nördlich, fährt
mich fast jemand über den Haufen, als ich morgens Brötchen holen
will. In Marstal, der altehrwürdigen Hafenstadt auf der dänischen
Insel Ærø, gehe ich gerade die Kirkestrade hoch, noch ein wenig verschlafen auf den kleinen
Platz zu, wo die Bäckerei ist, als aus der Ny Mœllergade ein roter
Golf schießt. Du verfehlst mich nur um Zentimeter, und hast Dein
blondes Haar zu einem Zopf gebunden, das sehe ich noch. Ich muss
erschrocken aussehen, wie ich Dir nachsehe. Du drehst Dich um und
lächelst, höchstens Anfang 30, und hintendrin sitzt ein Kind. Eine
Sekunde später bist Du um die Ecke. Weg. Den ganzen Tag habe ich
gegrübelt, und das alles meiner regen Phantasie zugeschoben, und
mich übrigens auch sehr gern an Dich erinnert; Dein
Zahnarzttochterlächeln, über das wir immer lachten, und Deine scharfen und geraden Gesichtszüge.
Und dann ruft mein Cousin an, den ich seit Jahren nicht mehr
gesprochen habe, nur ein paar Stunden später: Er säße saufend mit nem Pfaffen in irgendeiner
Pfarrei in Hamburg und braucht Geld. – Ein Glück bin ich inzwischen
ein wenig Rotwein-dun, ich checke nochmal das IPhone, ja, das ist
seine Nummer. Aber da passt was nicht: Er ist seit vorletztem
Winter tot. Ermordet in seiner Laube, angeblich von der russischen
Mafia. Genauso wie Du Andrea. Ich verspreche, ihn abzuholen in
Hamburg und ihn mitzunehmen auf mein Boot, und alles klingt so ok,
so normal, nur irgendwas passt nicht, und ich werde das Gefühl
nicht los, dass ich es bin, der hier nicht hinpasst.