Wenn Henry Rollins dich fixiert

Ich habe Henry Rollins vor 20 Jahren in einer Berliner Kirche gesehen. Da stand er über drei Stunden auf der kurzen Bühne, die einmal ein Altar war.

Ich hatte mich nicht schnell genug gesetzt, weil ich noch meine Kamera  richtete; ich war damals für Berlin Online unterwegs, als Einmann-Redakteur. Produzent, Praktikant, Fan und Kameramann in einem.

Als Henry begann, fokussierte er mich, als höchsten Punkt im Raum. Ich wagte nicht, mich zu setzen.

So stand ich die gesamte Show und diente als Blickfang, Fingerpointing-Target und je mehr mir die Knie schmerzten, desto mehr stieg der Respekt vor seiner Leistung.

Ich spüre den Rückenschmerz heute noch, dabei war er es, der ältere von uns beiden, der dabei über die Bühne tigerte und wild herum sprang. Am Ende zwinkerte er mir zu und lachte. Sie hatte ihm offensichtlich gefallen, unsere spontane Verbindung.

Rosenkohl mit Rosmarinbutter – ein politisches Winter-Rezept

Im Winter essen wir im Norden Kohl. Das war schon immer so. In meiner Familie lieben wir Grünkohl und seinen kleinen Cousin: den Rosenkohl.

Kohl, etwas deutscheres gibt es ja kaum. Und doch wird dieses Wintergemüse mit diesem Rezept zum Statement: Für ein vereintes Europa und die Vorzüge von Remixen und Vielfalt.

Zutaten:

  • Zwei große Hand-voll Rosenkohl, geputzt. (Ich mache die äußeren Blätter ab und ritze den Strunk ein, damit alles gleich schnell gart)
  • Butter mit zerstoßenem Rosmarin (alternativ Salbei, probiere ich nächstes Mal) mixen, grob mit der Gabel reicht. Am besten bei Zimmertemperatur einen Nachmittag zusammengemixt stehen lassen.
  • Zwei große 🥕 und vier 🥔  — gevierteilt.
  • 1 🌶 und 2 Zehenspitzen Knoblauch
  • Italienischen Hartkäse gerieben und griechischen Feta gewürfelt

Zubereitung:

Ich nehme eine tiefe Pfanne, man kann aber auch einen französischen Bräter oder Auflaufform verwenden – wird vielleicht noch krosser im Ofen.

Butter mit nem Spritzer Olivenöl heiß ♨ werden lassen, dann alles auf einmal in die Pfanne und anbraten.

Wenn das Gemüse beginnt, Röstaromen auszusenden, wenden und mit ner Tasse Wasser oder Brühe ablöschen. Deckel drauf und ca. 15 Minuten köcheln und dünsten lassen.

Am Schluss den Käse 🧀 drübersteuen und anschmelzen lassen. Fertig.

Mit einem guten Glas Primitivo servieren und darauf anstoßen, dass es nu immer heller 🔆 wird.

 

Rosenkohl-Liebe

Ich habe gestern wieder Rosenkohl gegessen — und ich liebe alles daran.

Die beginnt schon beim Putzen: ich liebe diese filigrane Abgeschlossenheit des lütten Kohls. Ein Miniaturwunderland des Genusses.

Manche waschen ihn gründlich und kochen ihn dann. Ich pule lieber die äußeren Blätter ab, halbiere die großen und werfe sie mit ein paar gevierteilten Kartoffeln vom selben Acker in eine Pfanne.

Regionales Wintergemüse ist wirklich der einzige Grund, in dieser dusteren und klammen Jahreszeit im Lande zu bleiben.

Sorry Südspanien. Danke Rosenkohl.

Hexenbräu

Eine Hafenkneipe auf St. Pauli. Der Raum ist rauchig, laut, und die Stimmen der Fußballfans überlagern das Klirren der Gläser. Zwei Freundinnen, Kathi und Luisa, sitzen an einem Tisch in der Ecke, ihre Astra-Flaschen beschlagen vom Kondenswasser. Kathi zieht ihre Lederjacke aus, während Luisa nachdenklich auf ihre Flasche starrt.


Kathi: (nimmt einen Schluck, schielt zu den gröhlenden Fußballfans) Sag mal, Luisa, weißt du eigentlich, was Hexen mit Bier zu tun haben?

Luisa: (lacht überrascht) Hexen? Klingt wie der Titel von ’nem schlechten Podcast.

Kathi: Ich mein’s ernst. Früher war Bierbrauen Frauensache. Wusstest du das?

Luisa: (zieht die Augenbrauen hoch) Echt jetzt? Hätte ich nicht gedacht. Bier ist doch der Inbegriff von „Männerding“.

Kathi: Genau. Und das ist so, weil Männer die Frauen systematisch aus der Brauerei gedrängt haben. Weißt du, wie sie das gemacht haben?

Luisa: (schiebt ihre Flasche zur Seite) Lass mich raten. Irgendwas mit Hexerei?

Kathi: Treffer. Die haben den Frauen vorgeworfen, Hexen zu sein. Dabei hatten die nur spitze Hüte, damit man sie auf dem Markt besser sieht, und Kessel, um das Bier zu brauen.

Luisa: (lacht ungläubig) Das ist doch absurd.

Kathi: Total. Aber es hat funktioniert. Stell dir vor, du braust Bier, verdienst dein Geld – und plötzlich bist du eine Hexe, die Zaubertränke macht.

Luisa: Und wie haben die das durchgezogen?

Kathi: Das war um die Zeit der Reformation. Die Kirche predigte, Frauen sollen brav zu Hause bleiben und sich um die Kinder kümmern. Bierbrauen? Zu aufwendig. Da haben die Männer übernommen.

Luisa: (kopfschüttelnd) Und jetzt sitzen wir hier, trinken Astra und feiern Männer wie „Meisterbrauer“, die eigentlich nur die Rezepte geklaut haben.

Kathi: Genau. Und denk mal drüber nach: Hildegard von Bingen, die hat Hopfen ins Bier gebracht. Ohne sie gäb’s heute nicht mal ein vernünftiges Pils.

Luisa: (hebt ihre Flasche) Dann stoßen wir auf Hildegard und alle anderen an, die dafür gesorgt haben, dass wir überhaupt Bier haben.

Kathi: (schmunzelt, stößt an) Und auf die Frauen, die das System heute noch aufmischen.

Luisa: (nimmt einen Schluck) Ehrlich, Kathi. Vielleicht sollten wir ein eigenes Bier brauen. Mit einem Hexenlogo oder so.

Kathi: (zwinkert) „Hexenbräu“ – rebellisch, stark und besser als der Kram hier.

Luisa: (lacht) Du spinnst. Aber hey, wenn’s klappt, trinke ich jeden Tag darauf.


Im Hintergrund: Ein betrunkener Seemann beginnt, eine Shanty zu singen, die Fußballfans stimmen mit ein. Kathi und Luisa zahlen, lachen und verlassen die Kneipe, während sie über ihr neues Projekt „Hexenbräu“ sinnieren.

***

Dieser Text ist die Dialogform dieses Blogposts:
Was haben Hexen mit Deinem Lieblingsbier zu tun?“

 

Faule liefern früh

Donald Trump will sofort nach seiner Amtsübernahme 100 Dekrete unterschreiben. Das klingt nach Tatendrang.

Mich erinnert das an eine Mahnung, die mir mein alter Skipper in den 1980ern gab: „Hüte dich vor den Eifrigen, die sind faul und erlahmen schnell“.

Wir segelten damals zusammen in der Nordadria, immer mal wieder kamen Mitsegler an Bord. Einer von ihnen, Helmut, ein trinkender Exkapitän, preschte als Erster vor. Er kaufte groß ein, kochte für alle und backte fast alleine ab. Es gab Lob von allen, nur der Skipper blieb still. Es sollte alles an Elan gewesen sein, für den Rest des Törns.

Helmut versuchte sich auszuruhen auf dem früh Gezeigten, nörgelte herum und fing an betrunken Kommandos zu geben; da hatte er aber die Rechnung ohne den Skipper gemacht. Bei Sibenik setzte er Helmut nach kurzem Gebrüll auf einer großen Tonne ab und funkte dem Hafenkapitän, ihn abzuholen. Ich hab Helmut nie wieder gesehen.

Faulpelze erkenne ich seitdem aber recht zuverlässig.

Random Erinnerung

Erinnerungen sind komisch. Wonach sie wohl entscheiden, welche bleibt, welche geht? Manche kommen – meine Kinder würden sagen – random zurück ins Bewußtsein gehüpft, dabei sind sie gar nicht so besonders.

So wie die an einen Abend mit meinem Schulfreund Philipp. Wir waren 15 und ich sollte bei ihm in Klein-Flottbek übernachten. Wir wollten tanzen gehen und tranken uns mit Gin-Tonic Laune an. Fuhren dann mit der S-Bahn zum Voilá nach Wandsbek, wurden vom Türsteher abgewiesen, fuhren achselzuckend wieder zurück und tranken weiter.

Franz Beckenbauer: Erinnerungen an einen Libero

Manche Erinnerungen kommen einem so merkwürdig vor, es könnten auch Träume sein. Oder die von jemand anderem.

Ich schaue gerade die Beckenbauer Doku im ZDF und als ich die signifikanten Bewegungen des Liberos sehe, legt sich meine eigene Erinnerung darüber. Das hab ich schonmal gesehen?, nur in echt. Nur getrennt von einer Tartanbahn.

Ich muss ca. 12 Jahre alt sein, als ich dieses Muster das 1. Mal im Real Life abspeichere. Ich war mit meinem Schulfreund Nils zum Volkspark geradelt. Schülerkarte 5 Mark.

Ich meine es war ein Heimspiel gegen den VfB Stuttgart (mit den Förster Brüdern auf Gegners Seite)

Nils ist immer noch Fan des HSV.

Ich nicht. Schon sehr lange nicht mehr.

Im Wasser bleiben

Jedes Jahr im Herbst überlege ich aufs Neue: soll ich dieses Jahr einfach drin bleiben? Im Wasser der Ostsee, vielleicht sogar in meinem Heimathafen in Strande?

An Tagen wie gestern, als ich nach meiner Schwedin sah, die von Land, aufgepallt und trocken, sehnsüchtig zu ihren Schwestern im Wasser schielte, zwickt es ein wenig. Auch der Winter hat schöne Tage.

Aber auch garstige, meldet sich die Vernunft. Und aus dem Cockpit winkt Hauke, er lächelt so als wollte er sagen: wo bleibst du?

Ganz passabel

Er war ein ganz normaler Mann. Er selbst fand sogar, ein passabler. Ein Guter. So alles in allem.

Trotzdem machte er manchmal Sachen.

Neulich freute er sich darüber, dass die Nachbarn in der Reihenhauskolonie ihre blaue Tonne ebenfalls neben seine stellten, obwohl der Abholtag erst nächste Woche ist.

Na? Vorsätze fürs neue Jahr? Ich nicht.

„Je üppiger die Pläne blühen,
um so verzwickter wird die Tat.
Man nimmt sich vor, sich zu bemühen,
und schließlich hat man den Salat!“, schrieb uns Erich Kästner, der weise Deutsche, einst ins Lebensbuch.

Auch Neujahr 2025 starten viele voller Elan und Plan in einen Januar, der dem Dezember von vor 24h zum Verwechseln ähnlich sieht.

Alles wandelt sich und doch bleibt Konstanze; gilt immer das, was meine Omi mir riet: Nimm di nix voer, dann sleight di nix fehl!
Auch 2025.