Zwei Rillen

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27. Januar

Der Kaffee dampft gemütlich in der Küche, als ich mein Bewusstsein verliere. Das weiss ich noch, das mit dem Kaffee, auch weil ich mir dabei zusehen kann, wie ich auf dem Boden aufschlage.

Ich sehe mich nicht von Außen, wie Augenzeugen das im Fernsehen so berichten, wenn mal wieder das Leben nach dem Tod, der Nahtod als grummeliger Wiedergänger in den 23:00 Uhr Slot gepresst wird. Nein, eher schaue ich aus mir heraus. Fallen tut wer anderes. Leise umhüllt mich eine grünschwarze Metalligkeit, durch die alle Welt in den Dark Mode wechselt.

Wenn ich je einen Kaffee gebraucht hätte, dann jetzt.

Hab ich eine saubere Unterhose an?, die Frage schlendert ganz unschuldig in meinen noch immer staunenden Geist. Ich wusste gar nicht, dass ich so nüchtern sein kann. Und bin erleichtert. Ja. Alles in Ordnung an dieser Front. Vor gut 20 Jahren habe ich alle Notunterhosen aus meinem Stoffschatz entfernt. Wiederum 20 Jahre nach den eindringlichen Ratschlägen meiner Großmutter, die nicht müde wurde zu warnen: “Jung, wenn du mal n Unfall hast und mit dieser zerrissenen Unterbüx ins Krankenhaus kommst, dann ist das bannig peinlich”.

Das war ihr wichtig: gepflegt verunfallen.

Als ich so da liege und aus mir heraus schaue, frage ich mich zwei Dinge gleichzeitig. Das kannte ich so noch nicht von mir; als ob zwei Schichten Denken in meinem Kopf sich drehen. Nicht mit derselben Geschwindigkeit, eher so, wie die Anzeige an meinem alten Technics Plattenspieler, die gegenläufig sich visuell zu einer schwebenden Rille formt, um anzuzeigen, ob der Plattenteller zu schnell oder zu langsam läuft. Das war damals noch jedem selbst überlassen, wie er sein Leben einstellt: schnell oder langsam; fliehend oder leiernd.

Ist das eigentlich OK, wenn man 20 Jahre braucht, um Omas Weisheiten auch umzusetzen?

Es klingelt an der Haustür, aber ich kann mich nicht rühren. Ich blinzle noch nicht einmal. Auch der Ton, der von meinem Trommelfell in meinen Geist drückt, hat diese blau metallic Farbe. Ich kann den Ton sehen, nur antworten, das müsste der andere Ich. Aber der hat ja das Bewusstsein verloren.

Die Ruhe, die mich umgibt hält sich vornehm zurück. Drückt nicht und hält mich doch umfangen. Mich beruhigt dieser grünschwarze Filter vor der Welt ungemein. Ich muss nicht einmal schwer atmen. Kalt ist mir auch nicht, obwohl es in unserer Wohnung empfindlich an den Füßen zieht im Winter. Und wir hatten eben ja noch Januar.

Ich komme zu mir und schlage mein zweites Paar Augen auf. Langsam fährt der andere wieder hoch, der sich seit ein paar Minuten meinen Körper mit mir teilt. Die andere Rille scheint verwirrt, läuft aber immer schneller. Linksrum. Ich versuche mich anzupassen, uns in Einklang zu bringen bei 33 Umdrehungen pro Minute.

Wenn er schaut ist die Welt eher milchig, bevor sie jetzt klarer wird und so aussieht, wie ich mein Wohnzimmer erinnere. Das Röcheln der Kaffeemaschine hören wir bevor wir zweimal tief einatmen.

Ich nehme mir vor, mich mir vorzustellen, sobald wir aufgestanden sind.