Ich habe heute einen dieser Youtube-Lebensverbesserungsgurus in mein digitales Herz geschlossen. Dieter Lange heisst er und ist der König der Aphoristiker unter den Life-Coaches. Das sind meist slicke, schlanke (lustigerweise meist blonde) Männer, die einen glücklich, erfolgreich und sexy machen – weil sie das selber sind.
Dieter Lange – Super-Guru
Dieter ist anders, ein wenig. Er war schon an allen Enden der Welt, bei Schamanen, in Klöstern und Wüsten. Dieter droppt dabei krasse Celebrity-Bekanntschaften. Dieter Lange erzählt von Robert Redford so, wie wir zum Bäcker gehen und nebenbei unseren DHL-Paketbeamten begrüßen, der schon früh am Morgen schwere Pakete in Hausflure wuchtet. Er und Robert. Zu zweit am Ozean, der Kante der Welt, in mehrfacher Hinsicht; beide mit dem weiten Blick.
Ich mag solche Leute nicht, könnt ihr euch ja denken; da stellen sich bei mir alle Nackenhaare auf. Blender (ich bin ja selbst Coach) und Snobs (immerhin komme ich aus Blankenese und entstamme einem Adelsgeschlecht, dessen Titel ich tragen würde, wäre das Leben im Mittelalter ein wenig matriarchaler gewesen), also kurz: Leute wie Dieter und ich erkennen einander schnell. Und sie mögen sich selten. Vermutlich.
Nun bin ich aber backen geblieben am Dieter Lange. Zuerst, weil ich von der Show an sich fasziniert bin, und auch ein wenig beeindruckt, wie Dieter Versatzstücke aus deutscher Lyrik, asiatischer Religion und indischer Lebenslehre immer wieder neu zusammensetzt. Das müssen jetzt zwei gute Dutzend Videos sein, die man online von ihm findet – und alle sind irgendwie gleich und doch ein wenig anders.
Nach ein paar Wochen YouTube-bingen offenbart er sich mir dann. Auf zwei Arten, die mich langsam glauben lassen, wir kennen uns. Dieter ist ein Selfmade Mann, um die 60, der nur Lederschuhe allererster Güte trägt. Er ist der Typ “Manufactum”, der beides – Gürtel und Hosenträger – trägt, und der nur das beste kauft, wenn es um Sportwagen und ungarische Luxusschuhe geht. Er kauft einfach immer ein Paar mehr von allem, damit ihm im Leben die Freude am Fahren nicht ausgeht und die Freude am erleuchteten Gehen erhalten bleibt. Diesen Teil von Dieter mag ich immer noch nicht.
Doch dann erzählt er von seinem Vater und dem Druck, dem krassen Erfolgsdruck, unter den er Dieter setzte. Höher, weiter, schneller. Er macht als junger Mann Karriere – bei Unilever. Der Arme, ich beginne mitzufühlen. Dann spürt er: das kann es nicht gewesen sein. Und macht sich vom Acker. Ab in die tiefste Wüste und die höchsten Gebirge. Aufsaugen, heilen, wach werden ..; das Übliche halt.
Alles ziemlich analog. Auch seine Seminare. Da wirkt er zwischen den slicken Beratern, die keinen Hehl machen, aus gar nix, richtig echt.
Während Corona macht Dieter viele Videos mit diesen slicken Typen; eine Art “Muss-ja”, erkennt man in seiner Körperhaltung. Richtig verliebt bin ich in die Stellen, in denen er auf das Digitale einsticht, sauber und präzise – aber eben in einem digitalen Format. Und dann merkt er das und eiert ein wenig knautschig drum herum. Ich küsse derweil den Boden, auf dem er wandelt.
Nun, im übertragenen, digitalen Sinne. Denn er ist ja nicht bei mir. Nur via Youtube.
Ich wünschte, ich könnte mir die Teta-Seminare leisten; eins bis vier – das letzte findet in einer Wüste statt. Ohne Handy, ohne Empfang, ohne digitalen Bullshit. Nur mit Dieter und 20 erfolgreichen Menschen. Nur mal so; Mäuschen spielen. Bei Dieter könnte ich so sein, wie ich wirklich bin. Denn blenden kann der Mann viel besser. Denk dran, höre ich Dieter sagen: “2 Paar gute Schuhe mitnehmen”.