Plötzlich verfärbte sich der Himmel grün. Meine Frau sprang vom Küchentisch auf und befahl: „Bring die Kinder ins Auto. Sofort!“
„Aber warum? Was ist los?“, stotterte ich.
„Ich erklär’s dir später. Los, beweg dich!“ drängte sie, ihre Stimme scharf wie das Tonatenmesser, das sie immer noch in der Hand hielt.
Während ich die Kinder in den Kombi scheuchte, rief ich über die Schulter: „Wohin fahren wir? Sollen wir Essen und Wasser mitnehmen?“
„Schon längst im Kofferraum“, erwiderte sie knapp, während sie eine kleine hölzerne Box aus einer Schublade zog. Sie öffnete sie, und ich sah Reisepässe, fremdartige Geldscheine und – zu meinem Entsetzen – etwas, das verdächtig nach einer automatischen Pistole aussah.
„Wo, verdammt nochmal, hast du das her?“ stammelte ich.
„Du wirst schon sehen“, sagte sie und ihre Stimme klang plötzlich seltsam ruhig. „Aber wir müssen sofort los.“
„Wohin überhaupt?“ beharrte ich.
Ihre Lippen verzogen sich zu einem fast amüsierten Lächeln. „Du wolltest doch immer meine Familie kennenlernen“, sagte sie. „Heute ist dein Glückstag.“ Dann küsste sie mich, zog einen Helm über ihren Kopf und ging zur Garage.
„Ich nehme die BMW. Du fährst hinterher. Egal, was am Straßenrand passiert, du hältst nicht an. Verstanden?“
Ich nickte, obwohl ich kaum atmen konnte vor lauter Aufregung.
„Wir müssen auf 150 beschleunigen“, erklärte sie und ihre Stimme hallte in der Stille des Garagentors nach. „Dann wirst du vor uns einen silbrigen, leuchtenden Kreis sehen. Keine Angst. Nicht bremsen. Nicht zögern — einfach weiterfahren.“
„Aber ich brauche mein Handy, um die Schule anzurufen“, protestierte ich.
„Du brauchst es nicht. Funktioniert sowieso nicht, dort wo wir dann sind“, sagte sie mit einem Ton, der keinen Widerspruch duldete.
Ihre Worte hingen in der Luft, schwer wie der erste Donnerschlag eines aufziehenden Sturms. Draußen hatte der Himmel jetzt einen giftigen, unwirklichen Schimmer, und ich spürte, dass wir etwas hinter uns ließen – etwas? Alles!, unser Leben, zu dem wir nie zurückkehren würden.
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Dieser Text ist Teil eines Kreativexperiments aus dem Social Network Mastodon. Der Autor des englischen Originals, @knodel, erlaubte mir eine deutsche Version anzufertigen.