Rotorblätter in der Nacht

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Bekenntnis eines G20-Feiglings

Der Hubschrauber, der letze Nacht über mein Haus flog, hat mich erschreckt, hat mir die Tage vor und an G20 wieder ins Gedächtnis rotiert. Eine Minute nur stand er über unserem Dach, so wie die drei Polizeihubschrauber Anfang Juli die ganze Nacht. Dann – nach einer kleinen Ewigkeit – flog er weiter; vermutlich, um einen Schwerverletzten ins nahe Altonaer Krankenhaus zu fliegen.

Eine gute Sache also, dieser Hubschrauber. Eigentlich; aber seit dem Scholzschen „Fest der Demokratie“, als sich die Kanzlerin in Tateinheit mit dem Hamburger Bürgermeister einen Haufen von Chaoten und Despoten in die Stadt ein- und sich von der Polizei unbehelligt eine organisierte und spontane Wut entlud, führen alltägliche urbane Geräusche zu einer anderen biochemischen Reaktion, als vorher.

Vorauseilend furchtsam

Fuck G20 Graffiti – Hamburg Altona

Mir ist eigentlich nichts Großes passiert. Ich bin weder von Polizisten geschlagen worden, noch aktiv an meinem Grundrecht gehindert worden, mich zu versammeln. Wahrscheinlich, weil ich schon ahnte, was da kommt – man ist in Altona ja in Sachen Gefahrengebiet ein alter Hase – und eben nicht hinging, zum friedlichen Massencornern oder zur „Welcome to Hell“-Demo.

Gefahrengebiet heißt ja, anders, als man annehmen möchte, dass die Gefahr für Leib und Seele gefühlt und spontan auch konkret von der eigenen Polizei ausgeht.

So nehme nicht nur ich das wahr. Ein Stich, den die Erkenntnis nun in das eigene Selbstverständnis stößt, dass man sich doch hat einschüchtern lassen. Sich so bürgerlich zurückhaltend zeigte, wie Olaf und seine Exekutive es sich wünschten.

Ich habe mir heute Morgen im Badezimmerspiegel die Zunge heraus gestreckt, wegen meiner kleinbürgerlichen Furcht. „Bäh! – Schäm dich“. Deine über sechzigjährigen Nachbarn haben mehr Mumm als Du, haben schon in Brokdorf von den Vätern und Onkeln der heutigen Helden in Uniform auf die Baskenmütze bekommen.

Die BILD hat schon recht: ein „kleiner Salonrevoluzzer“ bist Du. Ein Wicht, den schon das Geräusch eines Hubschraubers um den Schlaf bringt. Leg Dich wieder hin, spricht der innere Wicht, und warte auf das Erscheinen des Iphone mit der Nummer acht. Dann wirst Du nicht um Deinen Schlaf gebracht.

Oder schwenke um, wie so viele in diesen Tagen, die das Schwirren der Rotorblätter oder das eigene Versagen nicht ertragen:

„Die G20-Krawalle waren jedenfalls eine sehr schöne Probe darauf, wer sich solche Überlegungen gemacht hat, wer gedanklich schon mit einer neuen Ordnung paktiert. Exemplarisch ließ sich beobachten, wie vormals linksliberale Journalisten, Politiker, Comedians reihenweise einknickten, weil sie dachten, nun bräche der Notstand aus. Vormals kritische Publizisten fielen der Polizei um den Hals, Fernsehspaßvögel machten sich Gedanken um linken Terror, Foodblogger träumten von Fußfesseln und Bannmeilen. Kurz und schlecht, sie waren Umfaller; sie hatten darauf spekuliert, dass der Wind sich nach G20 rasch dreht und man den neuen Verhältnissen schon mal nach dem Mund reden sollte.“  – Umfaller im ND

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