Moin Moin von der Ostsee.

Wann in meiner Familie der Frühlingsbeginn gefeiert wird, habe ich letzte Woche ja schon geschildert. Nicht zwingend danach folgt dann der nautische Frühling: der ist, wenn das Segelboot am Kran hängt und mit seinem Kiel das Nass der Ostsee berührt.

Es ist jedes Jahr ein besonderer Moment; die Erlösung von einem 5-monatigen Winterblues. Auch wenn das Wasser (4 Grad) und die Luft (8 Grad) noch sehr winterlich anmuten, lächelt mein ganzes Wesen in den strammen Südwestwind, die Segelsaison hat begonnen, die Lady schwimmt. Sogar der Diesel springt ohne zu Mucken an – ein gutes Omen.

Und gleich feuern auch die kreativen Synapsen; erinnert sich mein Sein an das virtuelle Leben meines Protagonisten Pit, dessen Logbuch ja auch seit einem halben Jahr verstaubt.

„Vorsicht“, ruft da einer am Kranplatz und reißt mich aus meinen Gedanken. „Der neue Belag am Steg ist sauglatt“. Ich hebe die Hand zum Dank und versuche ganz besonders bedacht auf meine Ohlson 8:8 zu steigen. „Wir wetten schon, wer der erste ist, der in den Teich glitscht“, ruft mein Kümmerer noch und lacht, „dann warten wir noch ein bisschen länger – gute Fahrt und schöne Saison“. Überlege, Pit dort abglitschen zu lassen, konzentriere mich aber besser auf meinen ersten Anleger der Saison.

Ich weiss nicht, ob es allen Seglern so ergeht, aber ich fange gefühlt jedes Jahr beinahe bei Null an. „Seebeine kriegen“, hat meine Mutter das immer genannt, das unsichere Herumstolpern an Deck, wenn man nach einem Winter auf dem Sofa erstmals wieder aufs Wasser geht.

Der Südwestwind schickt kräftige Böen durch den Strander Hafen. Ich bin das erste Segelschiff an der Ostmole. Erwartungsvoll recken sich die Dalben mir entgegen – wo ging es nochmal zu meinem Liegeplatz?

Ich habe vor, mich in die beiden Achterleinen einzudampfen; schon 100x gemacht und trotzdem bin ich aufgeregt. Mein Kopf weiss, wie es geht. Mein Körper hat aber vergessen, was er wann und vor allem so nacheinander zu tun hat, um nicht quer in der leeren Boxengasse zu enden. Eine Böe drückt nochmal von hinten, das Wasser ist gefallen und wird weiter aus der Kieler Förde gedrückt. Die Dalben werden höher und höher, als ich die Backbord-Achterleine über den ersten wuchte. Ich stolpere zur anderen Seite und verpasse fast den zweiten Dalben. Ich fange an zu schwitzen, mein Schienbein tut mir weh. Ich hab mich mehrfach irgendwo gestossen.

Irgendwie geht alles gut, ich hänge nur ein wenig quer in den beiden Achterleinen, als ich über den Bugkorb mit der Luvvorleine an Land springe. Für ein mitleidiges Hafenkino war zu wenig Publikum da. Das erste Manöver ist geglückt, alles ist heil geblieben – und ich an Bord.

Die Eigentümer der Hafenkneipe am Fuß der Mole haben über Winter gewechselt. Der Laden heisst jetzt nach einem schwedischen Märchen. Glücklicherweise ist die Barfrau noch dieselbe, das macht den Übergang erträglich. Ich bestelle das erste Pierbier der Saison (die Biermarke hat auch gewechselt) und lächle den Wolkenfetzen zu, die in Richtung dänischer Südsee jagen. Bis bald, denke ich als ich Rasmus den ersten Schluck ins Hafenbecken gieße. Bis bald.

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