Als ich 13 Jahre alt war, flog mich mein Vater nach New York City. Was toll war, denn das war auch 1981 eine tolle Stadt. Dort gab es einen Arzt, der Stottern ganz anderes behandelte, als alle anderen vor ihm. Er behandelte uns nicht als psychisch Kranke. Um seine Therapie einzuüben, die wir zwei Tage […]
Autor: 500
500 Zeichen am Morgen ist ein Autofiktionales-Prosa-Format, das ich seit 2023 mehrtäglich hier im Blog und im Fediverse sowie per Newsletter verschicke.
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Superman-Mond
Gestern flog Superman am Supermond vorbei. Er wäre gut zu sehen gewesen, wenn es in der kleinen Stadt nahe der Metropole nicht bewölkt gewesen wäre. Was hat der Dunst mich noch verpassen lassen?, frage ich besorgt die fallenden Blätter vor meinem Fenster. Sie können es gerade nicht fassen, dass ihr Ast sie bei 19 Grad […]
Die Hexe von Blankenese
Meine Ur-Ur-Ur-Omi konnte Warzen besprechen. Und Tote vorhersagen. Sie wurde die „Hexe von Blankenese“ genannt. Zwei Dinge sind über die Generationen zu mir überliefert. Wie man Warzen bespricht (Spoiler: klappt sogar und braucht nur einen Apfel und den Vollmond) und dass Personen, von denen man träumt, dass sie sterben, Glück haben: sie sind es nicht, […]
Schalterbeamte
„Das gibt‘s doch gar nicht“, dachte ich, als ich kurz vor sechs die Post betrat. Kein Mensch vor mir, keine Schlange und Menschen an den Schaltern, die mich erwartungsvoll ansehen. „Kein schlimmes Einschreiben bitte“, scherze ich. „Menschen mit der richtigen Mütze bekommen nur gute Briefe“, sagt der Schalterbeamte. Als ich fragend einfach so dastehe, ergänzt […]
Oordentliches Aarhus
Dänisches Design, konsequent angewandt, macht Städte langweilig. Steile These. Nimm Aarhus; alles sauber.Dort, wo alte Kaianlagen friedlich vor sich hin rosteten, hieven nu Baukräne stylische Wolkenkratzer in die Höhe. Wohnen, so mit Müll, Gebrüll und Streit, tut da keiner mehr. An der Pier vorm Dokk1 liegt ein Traditionssegler ohne Mannschaft. Seine einzige Aufgabe: dem Beton […]
Plötzlich Stefan Raab
Neulich war ich in einem chinesischen Restaurant, das von einer Familie aus Togo betrieben wird. Es war leer, O. und ich die einzigen Gäste. Mir fiel auf, dass die ganze Familie abwechselnd bediente, mich komisch anlächelte. Ich ignorierte das höflich. Nach dem Essen fasste sich der Vater ein Herz: „Es ist eine Ehre Sie hier […]
Doch kein Hurricane
Nu isses doch kein lupenreiner Hurricane mehr, der auf Norddeutschland zusteuert. „Kirk“ wird ein früher und heftiger Herbststurm werden, sagt Sebastian vom Segelwetter. Das kann Donnerstag heftig werden. Am Wochenende habe ich Extraleinen an meiner alten Schwedin ausgebracht und mich tatsächlich ein wenig gegruselt, als der Hurricane der Stufe fünf plötzlich nach rechts abbog, statt […]
Dem Grau entfliehen
Ich habe ganz vergessen, wie sehr ich diese Farbe hasse. Grau. Sicher, es gab auch im Sommer Episoden, die nicht so schön waren. Knapp 15 Grad und Nieselregen ne ganze Woche lang. Das hier geht aber die nächsten sechs Monate so. Ich ruf nachher mal S. an. Sie wohnt in München und flieht jeden Oktober. […]
Was sich nie ändert
„Alle verrückt geworden“, sagt M. und redet weiter. Gefühlte zehn Minuten. Über die AfD, den Osten an sich. Über Olaf Scholz und dass die Leute mal in HH hätten nachfragen sollen. Und so weiter. Der erste Herbststurm zieht über mich hinweg; seine nassen Nadeln zerschellen am Fenster. Ich habe keine Lust zu antworten. „Weißt Du“, […]
Wachtraum
Ich liege wach und schaue den Gedanken zu. Nach einer Weile merke ich, dass Bilder abweichen von dem, was ich als Realität erkenne. Da reitet eine ehemalige Flamme auf einem Schimmel durch meine Küche und gibt mir Tipps fürs Chili. Ich würde gerne darin verweilen. Dummerweise führt mich das Erkennen ins Wachsein zurück. Leute sagen, […]
St. Pauli wie es sein soll
Jedes Jahr im September ist St. Pauli – vor allem die viel geschundene, von Jungesell:innen gepeinigte Reeperbahn – so, wie es sein soll. Es ist Zeit für das Reeperbahn Festival. Musik, Kunst und Performance – und vor allem die musizierenden, performenden Menschen prägen den Spätsommer auf dem Kiez. Ein überwältigendes Angebot, das ich euch unbedingt […]
Owen
Ich hatte in der Schule einen allerbesten Freund. Der war auch Außenseiter. O. hatte tiefschwarze Haare, die ihm seine Mutter als Topf schnitt. Er kam aus Kanada, ich aus Blankenese — für die Mitschüler war beides weit weg. O. mochte die Schule nicht und blieb ihr fern. Und da ich O. lieber mochte als Erdkunde […]