Mein erster CSD war ein Ereignis. Mein Freund Christian wollte mich da schon lange sehen, aber irgendwie hatte ich immer das Gefühl, das sei nicht meins. So als mittelalte Hete.
Nach einem St. Pauli Spiel nahm mich dann meine Tochter mit. „Los, komm schon. Das wird toll“, sagte sie. Und das wurde es auch.
Es ist wirklich einfach, ich ließ mich im Zug treiben und tanzte, nachher im Gängeviertel strömte ich an Soundsystems und Liveshows vorbei, die abwechselnd politisch aktiv, groovy oder auch liebevoll dilletantisch waren.
Ich blieb an einem Stand hängen, der selbstgebastelte Buttons für 1 Euro anbot. Die meisten hatten eine Bedeutung, die ich nicht kannte. Ein junger Mensch bemerkte mein zögerliches Herumsuchen und erklärte mir einige. „Dieser hier ist schön“, sagte ich. „Ja, der Button ist schön, Dir muss nur klar sein, dass Du Dich damit verpflichtest, einen Transmenschen mit auf die Toilette zu begleiten, wenn xier sich allein nicht wohl fühlt“.
Ich nickte, immerhin war das ein kleiner Preis für die freundliche Duldung der Menschen auf diesem CSD.
Als die Sonne unterging, saß ich noch lange wippend auf dem Hof des Gängeviertels. Vor dem Club hatte sich inzwischen eine Schlange gebildet, aus der mir meine Tochter zuwinkte.
So sollte es immer sein, dachte ich.
Der CSD ist eine Demo, ein kurzer Moment, in dem die Straßen und Plätze utopisch verwandelt werden. Sowieso braucht die Welt mehr Housemusik, dachte ich, als ich beseelt nach Hause ging, das Gesicht voller Symbole, die mir fröhliche Menschen darauf gemalt hatten.
Nach dem Angriff in Bautzen und anderswo, wurde mir klar: das schiere Existieren von Queerness, das bunte Lieben und Leben, sind für Nazis unerträgliche Provokation. Niemand sollte sich täuschen, CSDs sind Demos. Gegen den Hass. Und oft gefährlich. Nicht in HH, aber anderswo.
Zuerst konnte ich mir nicht vorstellen, warum jemand sich meine Begleitung auf ein WC wünschen würde; nun ja.
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Ich lese heute einen Aufruf von Tadzio Müller, den ich euch ans Herz legen möchte:
„Nehmt Euch ganz fest vor, dieses Jahr zu so vielen CSDs zu gehen, wie ihr einrichten könnt – nicht nur, weil’s da geile Parties mit heißen Menschen gibt. Sondern, weil jeder CSD, bei dem wir deutlich mehr sind, als die Nazis, für uns alle ein Erfolg sein wird. Und damit verdammt nochmal wir Queers auch einfach ein bisschen feiern können, trotz all der Nazischweine, weil unsere friends und allies und auch wir selbst und schützen.“
Ich komme dazu. Zum tanzen, zum demonstrieren, und wenn es sein muss, zum beschützen.