Hafen Strande, 14 Grad, Reste vom Sturm „Zack“, in Böen 7 bis 8, aus Südwest.
Ich schlafe bei Sturm schlecht. Nicht nur, daß irgendwo immer was klappert oder ruckelt (ich bin inzwischen echt gut darin, Fallen, Bändsel, Leinen und alles andere so zu sichern, dass sie auch bei zehn Beaufort Ruhe geben — aber so ganz schafft man das nie), als Skipper lauscht man zwischen den bekannten Geräuschen immer nach der Ausnahme. Ein Zerren und Rucken zuviel könnte die 50 Jahre alten Klampen schräg über mir rausreissen, sicher, die haben schon ganz anderes überstanden und sind wirklich tight gesichert unter Deck, aber irgendwann ist eben jeder Krug einmal zu oft zum Brunnen gegangen.
Nachts sind Geräusche auch überstark. Im Dunklen sowieso (irgendwie schräg der Satz, aber das ist hier mein Logbuch, da bleibt das einfach mal stehen). Also, in der dusteren Nacht, da vermischen sich irgendwann der Halbschlaf mit dem ersten Traum, wenn ich Seehunde unterm Schiff vermute, die Seepocken abknabbern.
Morgens krabbel ich vermatscht aus der Koje. Es regnet und pustet immer noch. Aber nu ist es hell. Das ist besser.
B. hat sehr gut geschlafen, wie immer an Bord unserer Schwedin dieses Jahr. B. hat keine nächtlichen Wahnvorstellungen von berstenden Leinen. Das ist son Skipperding, auch das nächtliche rumkraxeln an Deck in Boxershorts, Leinen checken und suchen. Meist suchen. Die Herkunft des regelmäßigen Tik-Tik-Tik, das unter Deck laut ist, hier oben im Sturm sich aber gut verstecken kann.
B.s Koje ist nass geworden. Der Starkregen wurde vom Starkwind in die Nut hinten am Mast gedrückt. Der Mast ist bei der Ohlson durchgesteckt (das muss so sein, haben meine Eltern schon gesagt, wegen der Stabilität), da hat man quasi werftseitig das Boot oben offen.
Ich inspiziere die üblichen Stellen, an denen unsere Schwedin leckt und schlage B.s Bett hoch, sodass die Wärme des Konvektors über Tag ihre Koje trocknet.
Alles halb so wild, sag ich zu B. Sie kennt die Geschichten aus meiner Kindheit, wo auf dem Seefahrtskreuzer aus Mahagoni Sturzbäche durchs trockene Deck flossen. Dagegen ist die Ohlson knochentrocken.
Ein Schiff, dass ganz dicht ist, wäre mir auch suspekt.
B. fährt nach dem 2. Mokka nach Hamburg und lässt mich ein wenig „idle“ zurück, wie Edgar Alan Poe das Nichtstun nennt. Sein Protagonist warnt, Nichtstun ist nur gesund, wenn man eigentlich was zu tun hätte. Dann wollen wir mal sehen.
- Abbacken des kleinen Frühstück
- Aufklaren der klammen Kojen, bei längerer Trockenheit draußen im Wind trocknen lassen (auch immer ein va banque Spiel, wenn man die Huschen nicht ständig auf dem Radar verfolgt)
- Sich mit autofiktionalen Romanen beschäftigen, Logbücher suchen, als Inspiration
- Bilge trocken machen, ne echte Schietgängarbeit. Aber als Liveaboard dringend nötig. In Ermangelung einer Crew ist Schietarbeit Skippersache
Super, hab im Poeschen Sinne eine Menge zu tun. Es fängt an zu regnen. Ich krümel mich unter Deck ein und starte ein Gespräch mit ChatGPT, während Zack das Schiff leicht nach Backbord krängt. Es bestätigt mir auf meine Frage, ob zehn bis zwölf Logbucheinträge für eine Staffel meines autofiktionalen Blog ausreichen, dass 10‐12 Artikel ideal wären. Da könnte man sogar Bögen spannen.
Ich bekomme eine Liste an Inspirationen von der KI. Darunter auch Wolfgang Herrndorfs „Arbeit und Struktur“, das ich vor 15 Jahren als Blog gelesen habe. Irgendwo…
Ich lege Handy und Pad auf die Navi, wo auf der völlig veralteten Seekarte aus Papier schon zwei Sonnencremes, eine Sonnenbrille und der Motorschlüssel liegen (Stillleben eines nu vergangenen Sommers). Beginne zu suchen und finde in der übersichtlichen Bordbibliothek sein bei rororo erschienenes Taschenbuch. Mehr Autofiction geht nicht.
„Hier lebe ich jetzt also“, lässt Herrndorf seinen Prota, also sich selbst sagen. Vor 15 Jahren, im März 2010. Finde den Satz toll. Würde den meinen Prota glatt auch sagen lassen — und nun, wo ich den Satz kenne, könnte ich…
Die Aufgabe mit der Bilge verleidet mir das Nichtstun ein wenig. Vielleicht, so sehr ich Edgar Alan Poe auch verehre, liegt er hier ja falsch. Tick-tick-tick, etwas klappert ganz leicht am Aluminium des Mastes; nervtötend. Zum Glück muss ich nicht schlafen.
Es hat aufgehört zu regnen, ich lege Wolfgangs Sterbetagebuch zur Seite und klettere an Land. Der Sturm mit dem lustigen Namen hat die Kieler Förde leer gepustet. 80 cm ist der Wasserstand gefallen. Der Blick auf die Kaimauer, verursacht bei mir Finkenwerderfeelings. Die Ostsee kennt ja keine große Tide, da ist das runtersinken unter die Kaimauer eine Anomalie.
Auf dem Weg zum kleinen Kaufmannsladen kommt mir Bernd der Fischer ins Fahrwasser, er hat einen Eimer voller Schollen in der Hand, heute aber keine Lust auf Fisch. In der Kneipe am Ende der Mole gibt’s heute Möhrenmus als Mittagstisch, den könnte er empfehlen.
Das fällt mir auch jetzt erst auf, dass es sowas wie Mittagstisch hier gibt. Außer an Wochenenden. Deswegen wusste ich davon auch nix. Überlege, das selbst zu kochen. So One-Pan-Gerichte als Rezept von Bord wären ne schöne Rubrik in meinem Letter. Macht Nils Minkmar auch, nur sind mir seine Rezepte immer ein wenig zu abgehoben — und an Bord einfach zu komplex.
Jetzt, wo Eier offiziell wieder Longevity fördern, statt einen direkt ins Grab, könnte ich zwei Spiegeleier drüber legen über das Möhrenmus. Mit ganz vielen braunschwarz gebratenen Zwiebeln, der Rebellion wegen.
Strander Rübenmus mit Spiegeleiern
- 2 Steckrüben
- 2 Kartoffeln
- 2 Karotten (3, wenns kleine sind)
- Wenn Schröder sie hat: 2 Pastinaken
- Frühlingszwiebeln, Chili, Knoblauch, n guten Schuss Olivenöl
- Butter, und n Schmatzer Meerrettichfrischkäse (war im Angebot)
- Zwiebeln und Spiegelei extra, wenn das Muß ruht.
(Muss mir n Stampfer ausleihen, sonst wird das nix).
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