Nackt segeln

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Mein Vater liebte es, nackt zu segeln. Den Po direkt auf dem Teakholz und den Schniedel in der bewegten Luft, die nicht nur die Segel umstreicht, sondern auch jeden Quadratzentimeter Haut. Mir war das damals peinlich, so als mitsegelnder Teenager. Obwohl uns sicher niemand sehen konnte, also nicht genau. Dafür waren wir zu weit weg. Vom Land und anderen Seglern. Außerdem war ich, und das ist mir heute auch noch etwas peinlich, ein wenig beeindruckt von dem Gemächt, das mein Vater da so selbstverständlich rumhängen hatte. Ein grosser Penis, braun gebrannt und vom Wind gegerbt. Ich hatte da – meiner Ansicht nach – nicht so viel zu bieten. Und das kann einen pubertierenden Sohn schon fertig machen; allein weil das Nachdenken darüber schon so awkward ist.

Ich nehme das Adjektiv ‘awkward’ einfach mal in meinen deutschen Sprachschatz auf; auch damit nachfolgende Generationen, für die das ganz normal ist, diesen Text entschlüsseln können. Außerdem: wem einmal auffällt, was für eine krasse Buchstabenkombination das ist, der liebt dieses Wort.

Überhaupt liefen in meiner Erinnerung in den 70er Jahren einfach viele Menschen andauernd und wie selbstverständlich nackt herum.

Ich erinnere mich an den Vater einer Freundin, die ich immer zur Schule abholte. Wenn ich klingelte, machte er manchmal die Tür auf. Nackt aber freundlich sagte er dann sowas, wie P. braucht noch ein paar Minuten, komm doch rein. Willst Du noch einen Toast mit Sirup? In der Familie aß man Sirup von Grafschafter. In meiner nicht. Ich habe also an einem Morgen das erste Mal den Penis des Vaters meiner Freundin gesehen und Grafschafter Sirup gegessen. Auf Toast.

Ich mochte ihn nicht. Also den Sirup.

Nacktheit und Selbstverständlichkeit sind mächtige Verbündete, deren Allianz in den letzten 40 Jahren irgendwie zerbrochen scheint. Prüderie breitet sich immer weiter aus. Wieder einmal. Und die Nacktheit weicht; und mit ihr das Frivole. In amerikanischen Serien und Filmen sieht man kaum noch nackte Haut. Angezogen müssen da Liebende übereinander herfallen. In entgrenzter Ekstase, aber mit geschlossenem BH.

Dafür wird die Sprache immer obszöner. Ficken, Blasen, Analverkehr – kaum eine Serie in den USA kommt noch ohne übertriebene Kraftsprache aus. Quasi als Ventil für die visuelle Keuschheit, so kommt es mir zumindest vor. Selbst Serien mit betagten Ü80-Menschen strotzen so vor Urin, Sperma und allen Wegen, wie dieses irgendwo hingelangen kann. Ich finde das anstrengend. Weil das Gesagte so gar nicht zu dem Gesehenen passt. Hat irgendwie seine Harmonie verloren. Also nix gegen Nacktheit – auch die vermeintlich hässliche. Das hier wird ein Plädoyer für sie.

Und dafür, das was ist, zu zeigen. Und das, was gesagt werden soll, zu sagen. Aber nicht, das zu sagen, was eigentlich gezeigt werden sollte.