Ihr kennt das auch, oder? — Du suchst eine Diskussion, einen Tipp oder ein Bild, das Dir eben noch in die Facebook oder Twitter-Timeline gespült wurde; vergebens. Es ist nirgendwo zu finden.
Das Social Web hat Amnesie und nur Mark Zuckerberg hat das Admintool, um das zu finden, was Du letzten Sommer gepostet hast. Dabei war das einmal anders.
„Das social web wächst und strebt auseinander. War die Blogosphäre im Jahre 2005 zwar ein vernetztes Universum, so war doch der Ort des Inhaltes, seine digitale Heimat meist klar auszumachen. Heute kommentieren meine Leser meine Beiträge dort, wo sie sie erreichen. Bei Facebook, Flickr oder Twitter.“ — schrieb ich ein wenig melancholisch in meinen Blog — Im Sommer vor acht Jahren– 2009!
Ich nahm mir vor, meinen Blog als das zu nutzen, was er einmal war: eine öffentliche Sammlung von Ideen, Links, Infos und Erlebnissen. Selbst gehostet und zentraler Speicher meines digitalen Lebens.
Dummerweise habe ich es nicht durchgehalten ;(
Die Gründe sind vielfältig, wobei der wichtigste wohl ist, dass Facebook und Twitter es einem nicht einfach machen, Diskussionen und Leser ins WWW zu entlassen. Das Internet ist kaputt, was diesen — seinen wesentlichen — Aspekt angeht.
Bloggen: “Peepshow mit Gespräch”
– Sven Regener, Musiker, Autor und Blogpraktikant bei @ring2
2013 startete Johnny vom Spreeblick Blog einen weiteren Anlauf. Unter der kämperischen Headline „2013: Das Web zurück erobern“ rief Deutschlands Ur-Blogger zur Selbstermächtigung durch Wieder-Selberhosten auf.
„Facebook, Twitter, Google, Tumblr, Apple, Instagram, Pinterest und wie sie alle heißen … sie machen das Web kaputt.“ — das war auch seine schmerzvolle Erkenntnis, die auf große Resonanz stieß (Rivva).
Digitale Midlife-Crisis?
Es mag sein, dass dies das letzte Nervenflimmern einer vergessenen Gruppe von digitalen Einwanderern ist und sich die Uhr längst schon nicht mehr zurück drehen lässt. Trotzdem sticht es mich immer noch und ich verspüre den Wunsch, meinen Blog wieder zum Ausgangs- und Referenzpunkt meines digitalen Publizierens zu machen. Gestern bekam ich einen weiteren Stupser — vom Blogpapst persönlich: Dave Winer.
„I want my old Blog back“ — Dave Winer
Dave Winer, inzwischen 60 Jahre altes Internet und Blogger-Urgestein aus den USA, hatte offensichtlich einen ähnlichen Impuls verspürt. Anfang Mai diesen Jahres hatte er die Faxen dicke — wollte sich nicht mehr vorschreiben lassen, wie er wo zu bloggen hatte.
„Before 2010, on my blog, I could have long and short items. I could use HTML. Link to as many places I wanted, where ever I wanted. There was no character limit, so the short items could grow if they needed to. The same format could accommodate post-length bits with titles that were archived on their own pages. Every item appeared in the feed, regardless of length, regardless of whether it had a title. I could shuffle the order in a given day, easily, because the text was on rails, edited in an outliner.It was great. I didn’t know how good I had it at the time.
When Twitter became popular it threw a monkey wrench in my blogging act. Where to put the short items? So I stopped posting small items on my blog. And everything needed a title to make Google Reader happy.“
Dave Winer hat inzwischen seinen Blog zurückerobert — auch vom Format her, was ich besonders wichtig finde.
Ich denke noch ein wenig darüber nach, lasse den ziehenden Impuls noch ein wenig länger wirken. Wir haben nun schon so lange gelitten, da kommt es auf eine Woche auch nicht drauf an. Eines glaube ich aber sicher: die Sehnsucht nach einem Blog als digitale Heimat ist nicht nur bei uns Pionieren da — das geht auch der Generation Instagram und Youtube so — jedes Mal, wenn man in Cupertino Menlo Park, Palo Alto oder Pjönjang den Algorithmus ändert.
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