Wedel,
schwacher Wind aus Nordost.
– 2 Grad Celsius.
Ein modernes Hochdruckgebiet hat sich an Hamburg festgekrallt. Früher hätte es uns knacke-kalte Nächte und Tage beschert. Vielleicht mit Eisschollen auf der Elbe und Glühwein auf der zugefrorenen Alster.
In diesen Zeiten schafft es die Nadel nur knapp unter Null. Und dennoch kommt den meisten von uns dieser Winter besonders kalt vor.
Was gegen innere und äußere Kälte hilft? Gemeinsam kochen – und geht das nicht: gemeinsam essen gehen.
In meiner Familie treffen wir uns mindestens einmal im Winter zum gemeinsamen Grünkohlessen.
Früher gab es dazu viel Bier und wegen der Verdauung auch viel schwedischen Akvavit. (Mein Favorit ist ein Biobrand aus der Region Sundsvall, O.P. Andersons Original) – heute verzichten wir oft auf den Alkohol; warm wird uns dabei aber immer. Und wenn es gut läuft auch ums Herz.
Dabei wird man im Norden in eine Schule hineingeboren – ähnlich wie beim Osterfeuer unterm Blankeneser Süllberg, kann man sich nicht aussuchen in welche.
Grünkohlrezepte waren Teil eines oralen Vermächtnisses, und ihre Regeln und Zutaten Religion. Noch wichtiger als die Zutaten waren dabei die “Wegtaten”, die Dinge, die auf keinen Fall in den Grünkohl dürfen. Wer in unserer Familie Pinkel in den Grünkohl tat, wurde bestenfalls enterbt.
Foto: (ring2): „Grünkohl nach Blankeneser Art.…“ – norden.social
Nicht immer hat man die Zeit, sich einen ganzen Tag um den Kohl zu kümmern. Dann sind folgende Alternativen erlaubt.
- Analog zum Rosenkohlpesto schmeckt auch ein Grünkohlpesto ganz famos. Und ist nebenbei gelebte europäische Idee.
- Grünkohl gibts auch in Restaurants. Und laut meiner Omi ist das auch in Notsituationen erlaubt, ihn dort zu essen.
Das Wiederentdecken des Landgasthofs
Ich war mal zu einem Businesswochenende in einem Kongresshotel in Lühesand. An die Inhalte dieses weltverändernden Workshops kann ich mich kaum erinnern; an den Grünkohl in Stubbes Gasthof sehr wohl.
In der Gaststube saßen die Apfelbauern zusammen mit dem letzten Elbfischer und tranken Bier mit Schnaps. Wenn es erlaubt gewesen wäre, hätten sie Pfeife geraucht. Der Grünkohl bekommt eine -1 auf der Omi-Skala, was sehr viel ist. Heißt: Kein anderer war noch besser, als der von meiner Omi 😉
Der zweite Platz hinter dem ersten Platz hinter meiner Omis Grünkohl (stellvertretend für meine Mutter, meinen Bruder und mich, wir können Grünkohl inzwischen genauso gut) geht an einen Griechen.
In der Taverna Olympisches Feuer – ja, die in der Schanze – kocht man Grünkohl nach klassischem Rezept; er wird dort mit Kassler, Mettwurst und viel Senf serviert. Der Wirt mochte das bei seiner Ankunft in Hamburg frisch entdeckte Wintergemüse so sehr, dass er es in seiner Taverne nachkochte. Der Grünkohl schmeckt wirklich sehr lecker – oft muss man aktiv danach fragen, ob er auf der Tageskarte steht. (-2 auf der Omi Skala)
Gestern war ich mit meinem guten Freund Markus in Wedel unterwegs. In der Wassermühle bekamen wir die letzte Portion Grünkohl des Tages. Ich habe das spontane Schnickschnackschnuck gewonnen (Schere schlägt Papier!).
Die Portion war umwerfend groß – fast zuviel für einen, zu klein für zwei.
Am Ende brauchte ich zwei Schnäpse – schwedischen hatten sie leider nicht.
Mit Markus und Willi habe ich mich danach verabredet, diesen Winter noch ein paar mehr Landgasthöfe abzuklappern. Wenn Du welche kennst, bitte gerne antworten; ich bin für jedes Feedback dankbar.
Guten Appetit, du hast jetzt sicher welchen, oder?