Anti-Antifouling

Ostsee, Wind aus Ost, also kühl, max acht Grad. Aber Sonnig.

Auf dem Außengelände des kleinen Yachtclubs an der Förde riecht es nach Saisonbeginn. Die Bootseigner lackieren, schleifen, basteln und malen wie die Weltmeister. Immerhin ist bald Ostern, da steigt der Druck das Boot segelfertig zu machen. Interessanterweise nährt ausgerechnet der Klimawandel den immerwährenden Traum von Frühlingsgefühlen auf dem Wasser.

Ich bin spät dran dieses Jahr (selbst schuld, wenn man wertvolle Zeit in Spanien in Yachthäfen abhängt).

Heute will ich das Unterwasserschiff malen und die Schraube von den kalkigen Resten ihrer unerwünschten Besetzer vom letzten Sommer befreien.

Ich nehme wie jedes Jahr dasselbe Antifouling, ein selbstpolierendes mit einem japanischen Kriegernamen, der wohl den Seepocken Angst einflößen soll. Das klappt so lala. Eigentlich jedes Jahr schlechter. Kann es sein, dass die Viecher sich an das Gift im Wasser gewöhnen? Sich anpassen, wie die Borg in Star Trek?

„Wir werden Deinen Bootsrumpf unserer Zivilisation hinzufügen. Widerstand ist zwecklos“

Jedes Jahr kriecht das schlechte Gewissen hinten den Nacken hoch. Biozid klingt gut, nach Medizin, umschreibt die Wirkungsweise der blauen Farbe aber für mein Gemüt ungenügend. Reines Gift wäre besser. Ich trage Maske, Kappe und Handschuhe währenddessen, damit mir Töffel nicht allzuviel von der Farbe im Gesicht, auf Händen und Armen landet. Ich bin die Jahre vorsichtig geworden, auch weil ich jedes Mal zwei Tage maddelig bin, wenn ich das Antifoulig auftrage. Reines Gift!

Ich stehe vor meiner Schwedin und überlege – wie jedes Jahr – ob nicht der Anstrich vom letzten Jahr ausreicht, als D. von nebenan vorbei kommt.

D. ist Mitglied im großen Yachtclub an der Förde. Wären wir noch eine Monarchie, der Kaiser wäre dort Mitglied und die Kieler Woche wäre nach seiner Enkelinprinzessin benannt, wie auf Mallorca.

Ob bei uns auch schon die Polizei vorbei geschaut hätte? Die fahren alle Yachthafen und Werften ab und machen den Leuten Angst.

Es sei verboten, einfach so mit Antifouling rumzuhantieren, noch schlimmer, es unter freiem Himmel anzuschleifen. Das sei eine Straftat, wurde informiert, und dass man wiederkommen und Leute anzeigen würde, wenn das nicht streng nach der neuen EU-Richtlinie erledigt würde hier, DAS RUMSPRITZEN MIT REINEM GIFT!

Uff. Das saß.

Ja, genauso habe er auch geguckt, sagte D. und ließ mich mit meinen Gedanken allein.

Was dann begann, war sowas wie ein interner Bundestagswahlkampf auf Speed.

Zuerst übernahm der kleine AfD-Wähler, der jeden bewohnt und den wir versuchen in Schach zu halten (normalerweise gelingt mir das besser als Fritze Merz).

  • Was soll denn der Quatsch?
  • Straftat, die ham sie wohl nicht mehr alle
  • SCHEIß EU 1!11!

Dann meldete sich mein Gewissen und schickte den AfD-Wähler ohne Abendessen ins Bett.

  • War sowieso komisch, dass der Umgang damit so lax gehandhabt wurde.
  • Muss ich wirklich alles neu malen dieses Jahr?
  • Und abschleifen muss man Selbst-schleifendes ja wohl auch nicht, oder?

Als ich noch kurz den Nörgler beruhigte, der beim Gedanken an Selbstschleifung bemerkte, eben selbst und schleifen, sagt ja der Begriff schon, wohin das ganze Gift geht – ins Wasser der Ostsee. Aber da interessiert es sie wieder nicht… typisch… fuhr ich in den Baumarkt.

Malerflies, Handschuhe, Antifouling und Schleifpapier besorgen.

„Warten Sie bitte kurz“, sagte die Frau an der Information, „ich muss meinen Kollegen suchen; er ist der Einzige, der seit diesem Jahr Antifouling verkaufen darf – der ist geschult“.

Oh, also hier war die EU-Richtlinie also auch schon eingeschlagen, dachte ich und wartete geduldig in Gang 109 auf den Fachmann.

Haben Sie das schonmal benutzt?, fragte er mich, als er zehn Minuten später auftauchte.

Ja.

Dann ist ja gut. Wieviel brauchen Sie denn? Viel Auswahl habe ich nicht mehr.

Und meine Farbe auch nicht, jammerte ich leise.

Ich nahm die kleine Dose in Navy Blau (anstatt Mid Blue wie sonst) und eine große Rolle Malerflies.

Nun ist das Ruder und der Kiel dunkler als der Rest. Camouflage beinahe. Vielleicht habe ich ja Glück und das verwirrt die Borgkrebse im Hafen dieses Jahr.

Besser für die Ostsee wäre es, ich schaute mich nächsten Winter nach Alternativen um.

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