Extremsegler

Das Wochenende, das ich mir für meinen ersten Einhandtörn ausgesucht hatte, war ein windiges. Es war einigermaßen warm, aber die Ostsee war Mitte Mai noch einigermaßen frisch.

Mein Ziel war Schleimünde, nicht zu weit weg vom Heimathafen an der Kieler Förde, und doch so weit, dass man den Schlag als echten Segeltörn verbuchen könnte.

Ablegen, Aufheissen der Segel, alles klappte wie am Schnürchen. Kein Wunder, war mir die Kieler Außenförde doch vertraut. Ganz anders dort, wo ich hinwollte: ich war noch nie einhand an der Lotseninsel angelegt.

So richtig genießen konnte ich das Segeln an diesem Tag wohl nicht, immerhin erinnere ich nix mehr, was besonders wäre.

Der Wind kam aus Ost, weshalb ich gegen ihn gerichtet an der Ostseite des einstigen Nothafens anlegen wollte. Einem alten Gentlemens-Agreement folgended, warf ich meine Achterleine über nur einen der Poller und ließ meine Schwedin langsam mit ihrem Restschwung in die recht große Lücke treiben, die ich mir als Liegeplatz ausgesucht hatte.

Schon mein Vater hatte 30 Jahre zuvor Aufmerksamkeit erregt, als er, statt mit den angesagten Vollgas voraus, Vollgas zurück, ganz sutsche in die Boxen der ACY Marina Trogir schlüpfte, so langsam dass sogar die Marineros neugierig ihre aktuelle Arbeit unterbrachen.

„Solange auch die kleinste Fahrt im Schiff ist, kann dir nix passieren“ hat er immer gesagt.

Seinen Rat im Kopf, hatte ich mir eine weitere Regel selbst erstellt, die ich jetzt anwenden wollte (und die ich wegen ihres großen Erfolges immer noch anwende, wenn ich allein segle).

Du kannst nicht überall sein, hab ich mir gepredigt, also versuch es gar nicht erst, elegant anzulegen. Dein Boot ist kein Auto, und ein Liegeplatz keine Garage.

Fender raus und auf das Schiff in Luv legen. Fertig. Wenn Du fest bist, schaust Du weiter.

So tat ich das auch. Leichter Nieselregen und ein schralender Wind, nu leicht aus Süd, drückten meine Ohlson auf ein schönes Mahagoni Boot, das nicht weit von hier bei Kappeln vor 60 Jahren gebaut worden war.

Der Skipper und sin Fru lugten kurz aus der Kuchenbude und nickten mir freundlich zu, als sie sahen, dass ich mein Anlegemanöver im Griff zu haben schien. Meine Nervosität schienen sie nicht zu bemerken – oder sie waren so höflich, sie zu übersehen.

Als alles fest war, latschte ich die wenigen Meter zum Hafenmeister, bezahlte das Hafengeld in bar und gönnte mir in der Giftbude ein großes Bier als Einhandmanöverschluck.

Nächsten Tag wollte ich weitersegeln. In die dänische Südsee. Meine gelungene Premiere hatte mir Flügel wachsen lassen, nu ab nach Marstal, Drejø und Korshavn – alles einhand.

Als ich die Ohlson segelfertig machte, schnackte ich noch kurz mit der netten älteren Lady von nebenan. Ob sie auch los wollten, fragte ich. Da antwortete sie:

„Junger Mann, Sie müssen wissen, mein Mann und ich sind Extremsegler — wir segeln nur bei extrem gutem Wetter“.

Wir lachten beide und als ich ablegte, wirkten mir beide hinterher.

Das war auf den Tag genau vor 13 Jahren.

Heute haben B. und ich beschlossen, nicht rauszugehen, die elend lange Regenfront lieber abzuwarten, bis Montag besseres Wetter kommt.

Es sieht so aus, als würden auch wir uns langsam zu Extremseglern entwickeln.

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