Labskaus und Millionäre

Strande, Ostsee. 20 Grad, Wind aus West, zunehmend.

Die ersten echten beiden Sommertage sind vorbei. An die 33 Grad in Hamburg kommt man an der Ostsee nicht ran (über 30 Grad gibt’s hier kaum), aber die gemessenen 27 Grad waren schon sehr sommerlich. Im strengen Ostwind gefühlt allerdings max 18 (FDP Hochburg eben ;). Der Ostwind muss nämlich ne ganze Strecke über die noch recht kühle Ostsee fegen und fungiert so als natürliche Klimaanlage gegen spanische Hitzewellen.

Hier in Strande kann man vieles lernen, über Gegensätze beispielsweise.

Messdaten zeigen, dass die westliche Ostsee für die Jahreszeit zu warm ist (Klimawandel); mein Körper meldet mir beim abkühlenden Bad das Gegenteil; ui, noch ganz schön kold.

Beim Kaufmann im Dorf herrscht Aufregung, als ich morgens Brötchen hole.

Ein Redakteur der F.A.Z. hat das Dorf besucht. Herr Schröder, die gute Krämerseele des Dorfes diskutiert gerade mit Anwohnern. Über seinen Part und die Zitate, dass in Strande die zweitmeisten Millionäre in Schleswig Holstein wohnen. Die einen finden das gut, sind irgendwie stolz darauf und die anderen finden es doof, dass das jetzt die ganze (konservative) Welt weiß. Das sind wahrscheinlich die Millionäre, mutmaßen wir. Denen ist es sicher peinlich nur die Nummer zwei zu sein.

Als Blankeneser kann man dazu nur milde nicken; anders als in Strande sind die Millionäre dort auch noch die Nummer eins im echten Norden – oder wem glaubt ihr, gehören die gut gepflegten aber meist unbewohnten Friesenhäuser in Kampen auf Sylt?

Vergleich ist des Glückes Tod, es gibt immer eine, die reicher und schöner ist.

Mein Opa war Seemann (entlang der Levante, von der ich als Kind immer nicht wusste, wo die liegt). Und als Seemann wusste er, wie man Labskaus macht. Lustigerweise hat er immer Labskau‘ gesagt, aber das nur nebenbei.

Mein Opa war Blankeneser, sicher kein Millionär und hat das leckerste Labskaus auf der Welt gekocht (so wie meine Oma den besten Grünkohl)

Letztes Wochenende war ich das erste Mal auf der Rickmer Rickmers, dem grünen Segelschiff, das stolz an den Landungsbrücken liegt. (Ob die Reederfamilie Rickmers Häuser auf Sylt hat? Wahrscheinlich).

An der Bar komme ich mit der Barfrau ins Schnacken. Sie ist waschechte Flottillenkapitänin und es dauert nicht lange dann fachsimpeln wir über Labskaus.

Ob ich frisches Rindfleisch oder Corned Beef nehme, will sie wissen, als sie mir ein kleines Bier zapft. Mein Opa hat immer Corned Beef genommen, sage ich, immerhin gibt’s an Bord ja selten einen Schlachter.

Sie nickt; darüber streite sie immer mit dem Koch. Der hätte immer so fancy Ideen. Dabei ist Labskaus nur echt mit dem Pressfleisch aus der Dose (bei dem auch keiner so genau weiß, was drin ist).

Ich nehme mir vor, mit M. und W. wieder zu kommen und das Labskaus in der Messe des Seglers stilecht zu probieren.

Gute Idee, sagt M. als er mich anruft. Ich bringe gerade frische Schmerzsalbe auf meine Achillessehne auf, habe backsige Hände.

Auf welchem Platz landet denn das Labskaus ausm Hafen? Na ja, höchstens auf Platz zwei, das von meinem Opa ist ja nu nicht zu schlagen. Und ob sie das von Julia aus Strande schlagen, steht ja in den Sternen.

Julias Vater, der im Klubhaus des Kieler Yacht Clubs die Küchenfee gab, war auch der Hüter des Labskaus (und auvh kein Millionär, oder ein verschrobener, der es liebt, Kattoffeln zu schälen und zuzubereiten; die zweitbesten Kartoffeln, die ich je gegessen habe) . Gute Kartoffeln, Rote Beete, viel Gewürzgurken (daran scheitern schon die meisten) und ein Rollmops aus Dänemark — und Corned Beef natürlich!

Das Klubhaus hat neue Pächter, Labskaus gibt’s immer noch auf der Karte. Am Freitag probieren wir es aus, ohne Vorurteile, aber mit dem Wissen, wie hoch die Latte liegt. Die neuen Köche schaffen es, meterweit unter der Latte durchzuspringen; das Labskaus schmeckt wie ein Seniorengericht, fade und viel zu flüssig. Ob da überhaupt Fleisch drin ist, ist nicht festzustellen.

Schade. Strande ist um eine kulinarische Sensation ärmer. Beim Labskaus weit entfernt vom zweiten Platz – ist eben nicht so einfach, wie Millionäre auf einem Hügel sich ansiedeln zu lassen.

Labskaus Rezept nach Seemannsart

Die Regel: nur haltbare Lebensmittel, sonst isses kein Seemannessen!

  • 2 Zwiebeln
  • 1 Glas Rote Beete, in Scheiben
  • 6 mittelgroße Gewürzgurken
  • 1 Dose Corned Beef (340g)
  • Schweineschmalz
  • 2 Rollmops
  • 2 Eier
  • Kartoffeln

Der Witz ist der Schmalz und der Rote Beete Saft. Einen Teil der Roten Beete stückeln und mit dem zerteilten Corned Beef, den Zwiebeln anschwitzen. Nebenbei Kartoffeln garen und stampfen. Einige tun noch eine ganze Zwiebel ins Kartoffelwasser und löschen damit das Beef ab.

Alles vermengen, Spiegeleier drüber und mit Matjes und viel Gewürzgurke servieren.

Labskaus muss stückig bleiben und darf auf gar keinen Fall breiig werden – so wie bei den Nichtseglern im KYC Restaurant.

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Fediverse-Reaktionen

4 Antworten zu „Labskaus und Millionäre“

  1. Schöner Bericht aus Strande.

  2. Ich wollte es ja hier auch noch mal schreiben. Mein Opa war ja auch Kapitän (Nord- und Ostsee) und seine Tochter (meine Mutter) ist in ihrer Kindheit auch immer mit dem Schiff mitgefahren. Und auch diese spricht es Labskau aus. Irgendwas muss da dran sein.

    1. Ach wie interessant. Dann tue ich da ab nu meinem Opa gleich. Lecker Labskau! 😋

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