Eröffnet Schutzbereiche

Ich habe heute morgen noch im Bett in einem Urteil gelesen. Ich bin kein Jurist, auch deswegen kommt das eigentlich so gut wie nie vor.

Was mir auffiel: juristische Sprache kann sehr poetisch sein. Vor allem wenn das Grundgesetz beteiligt ist. Dessen Artikel können nämlich „Schutzbereiche öffnen“, in denen Menschen nicht eingeknastet werden dürfen, nur weil sie den Verkehr stören.

So schreibt das AG München: „Eine Sitzblockade von Klimaaktivistinnen stellt eine Versammlung dar, die den Schutzbereich des Art. 8 GG eröffnet.“ – und ich denke: so geschützt, kann uns doch gar nix passieren.

Und dann denke ich an die vielen jungen Menschen, die auch in Hamburg sich vertrauensvoll in den Schutzraum des GG begeben und auf ganzer Hamburger Linie versohlt, bespritzt und vertrieben werden.

Denn Schutzräume macht das GG eben nur nachher auf, also offiziell. Im Jetzt herrscht oft die Willkür, die diesen Schutzraum mit Gewalt flutet.

Ich seufze in meinen Kaffee, und wünsche mir, dass sich ein Weg finden ließe, geschützte Räume auch in die Gegenwart zu holen.

Letzte Woche hat mein Freund Marcus in unserem Podcast von Clubs und anderen subkulturellen Räumen gesprochen, die dringend Hilfe brauchen. Da sollte man auch Schutz eröffnen – sind ja auch Versammlungen irgendwie.

Was denn so ein „Schutzraum“ ist, fragt mich M. eben am Telefon und ich muss kurz nachdenken – M. erwartet Druckreifes.

„Ein Raum, der frei von Eingriffen ist, vor allem staatlichen“, antworte ich doch noch ziemlich spontan. Ich muss an die Rote Flora denken, die heute so auch nie mehr entstehen könnte.

„Eingriff“, sagt M., „klingt irgendwie nach Unterhose“.

Danke Jean-Luc

Ich bin die Tage wirklich emotional geworden. Ein alter Freund hat aufgehört, ist quasi in Rente gegangen – diesmal für immer.

Denn da war er schon einmal. Im Ruhestand.

Ich habe 1994 mit einem alten Schulfreund bei meiner Mutter zuhause auf dem Sofa gesessen und die letzte Doppelfolge von „Star Trek the Next Generation“ angesehen.

Das Finale eine Serie, die mich meine ganze Adoleszenz begleitete und tief beeindruckt und geprägt hat. Viel mehr als „Raumschiff Enterprise“ mit Kirk, Spock und dem wundervollen George Takei als Lt. Zulu (wobei ich erst Jahre später bemerken sollte, dass er der wundervoller Vorkämpfer für die Ideen und Utopien war, die mich erst in den Raum der Föderation zogen).

Zu einer Zeit, in der die Geschichte für uns in der BRD und überhaupt endete – das versprach uns zumindest ein Historiker, der sich inzwischen selbst widerlegte – war Star Trek TNG mehr als nur eine TV Serie: sie war Fluchtpunkt, utopisches Framework, Sitcom und Fantasie-Rollenspiel in einem.

Darmok und Jalad auf Tanakra

Dreh- und Angelpunkt war Jean-Luc Picard, gespielt von dem immer ein wenig unterforderten Patrick Stewart. Meine Lieblingsfigur war Worf, der sich sein ganzes Leben aus der klingonischen Zwickmühle aus Stolz und Vorurteil heraus kämpfen muss.

Als die Serie damals endete, endete auch eine persönlich sehr intensive Phase für mich. 1989 war mein Vater gestorben, mit 49 Jahren jünger als ich es heute bin.

Als uns die Todesnachricht erreichte, lag ich in meinem Bett und der Abspann einer abendlichen Wiederholung der Serie lief gerade über den Bildschirm.

Als 1994 Jean-Luc durch die Raumzeit geisterte und jeden im Bademantel herumirrend fragte, welche Sternzeit wir haben, war ich gerade aus einer langen Trauerphase heraus getreten. Ich schwamm mich gerade frei davon, das Leben eines Toten aufzuräumen und später als andere den Kurs zu setzen: „Mark nine, engage“, hätte Jean-Luc gesagt und seinen rechten Zeigefinger in die Richting zeigen lassen, in die es nun mit Warp 9 gehen soll.

Gestern endete unausweichlich diese Serie ein zweites Mal, denn mit der dritten Staffel von „Picard“ (ob das irgendwann mit STP abgekürzt werden wird?) wird Jean-luc ein zweites Mal – ein letztes Mal – in den Ruhestand geschickt; die Enterprise endgültig eingemottet.

Warum mich das so emotional macht? Vielleicht, weil es irgendwie rührend ist, wie der inzwischen 82 Jahre alte Jean Luc durch den Weltraum geistert. Immer hat man das ungute Gefühl, dass ihm gleich jemand über die Straße helfen müsste. Und doch entwickelt dieses greise Revival eine Schönheit, ein wohliges Gefühl des „Ja-es-muss-noch-einmal-sein“, dem ich mich nicht entziehen kann. Und nicht will.

Ich verliere einen popkulturellen Bezugspunkt; einen der sich glücklicherweise selbst beschränkt, bevor er zur hauntologischen Witzfigur wird.

Danke, Jean Luc. Nun kann ich dich gehen lassen.

Digital und doch lebendig

Ich bin 2003 zum Bloggen gekommen. Damals faszinierte mich, dass es nun auf einmal Menschen gab, die ihre täglichen Reisen durch ihr Leben und (die Kombination ist wichtig) ihr Surfen durch das World Wide Web in einem Journal dokumentierten.

Für uns Leser_innen (gegendert hat mensch damals natürlich noch nicht) zur Inspiration, zur Debatte-einladend (tatsächlich gab es damals viele politische Blogs, in denen es heiß her ging) oder einfach zum Begleiten.

Manchmal erlebte man dasselbe, manchmal tauchte man in Lebenswelten ein, die einem so fremd waren, wie einem Pinguin die Steppe Kenias.

Ich habe nie wieder so viel gelesen, kommentiert, gelernt und nachgedacht wie damals. Es dauerte nicht lang, da begann auch ich, zu bloggen.

Das war am 13. Oktober 2003. Vor bummelig 20 Jahren. Puh.

Ich wollte mich (etwas großspurig formuliert) „am weltweiten Wissensaufbau beteiligen“ – seht es mir nach, ich war noch jung, so wie das Netz es selbst auch war. „Ab heute wird nacheinander publiziert, sich vernetzt und gepingt. Was das Zeug hält.“, versprach ich mir selbst und habe dieses Versprechen lange gehalten.

Digitale Sinnkrise

Twitter, Facebook und Co. machten der so genannten Blogosphäre, dem losen Verbund von Schreibenden den Gar aus – zumindest habe ich das so empfunden.

Zaghafte und wenig erfolgreiche Versuche „sich das Web zurück zu erobern“ scheiterten. Bis, ja bis ein autoritärer Milliardär den Menschen ihr Spielzeug wegnahm (Twitter) und die große Flucht ins föderierte Web begann.

Was ich gerade empfinde: Lust am Wiederentdecken – von einzelnen Stimmen – und oh Wunder, ich bemerke, dass es Blogger_innen gibt, die nie aufgehört haben zu bloggen; die wieder anfangen zu bloggen.

Holdrio, auf ins Revival. Back to Blog, (Not back to Reality) ;

ps dieser Blog wird automatisch in mein „remote_self“ ins Fediverse gepostet (@ring2@norden.social); du kannst ihn aber auch ganz klassisch via RSS oder E-Mail abonnieren.

Zwei Möwen

Ein kleines Experiment. Eine kleine Oster-montägliche Aufgabe an mich und an ChatGPT: „Schreibe einen Text im Stile der Ecriture Automatique. Stelle dir vor, du beginnst an einem Ostermorgen an der See und betrachtest Möwen. Assoziiere frei weiter…“

Eriks Morgenseite dazu:

Zwei Möwen stürzen sich auf ein weggeworfenes halbes Fischbrötchen, als die Sonne über der Ostsee aufgeht.

Ich stehe hier schon seit einer Stunde und schaue dem Tag beim Anbrechen zu. Das dauert immer quälend lange, bevor aus dem ersten Glühen am Horizont der erste Strahl wird, der über die Linie blitzt, die den Tag von der Nacht trennt.

Die beiden Möwen haben Gesellschaft bekommen. Nun jagen sechs andere der einen hinterher, die das Fischbrötchen im Schnabel trägt. Zum Herunterschlingen hat sie keine Ruhe, dicht hinter ihr machen ihre Verfolgerinnen jedes waghalsige Manöver mit. Tom Cruise hätte seine wahre Freude.

Maverick verliert kurz die Spannung und lässt nach einer abrupten Rolle kurz über dem Wasser seine Beute fallen. Die Möwe, die als erste den größten Teil des inzwischen zerbröselten Brötchens erwischt hat, findet kaum Zeit wieder zu starten und zu fliehen bevor der inzwischen auf 12 angewachsene Schwarm nun sie verfolgt. Ein erbarmungsloser Tanz aus Neid, Missgunst und Fluggeschick, der keiner den Sieg gönnt.

Rotgold schimmert die neue Sonne des neuen Tages gegen einen losen Teppich aus kleinen Wolken, die gegen den leichten Wind gen Ufer ziehen.

B. müsste inzwischen wach sein. Zeit für das Osterfrühstück; nachher wird es sicher noch regnen. Denn Morgenrot ist des guten Wetters Tod, wie Oma immer sagte, nur auf Plattdeutsch natürlich. Das kann ich aber nicht mehr.

Ist irgendwie zerbröselt.

ChatGPTs Morgenseite, frei assoziiert:

Ein warmer Ostermorgen an der See. Ich sitze am Strand und beobachte einen Schwarm Möwen, die durch die Luft fliegen und auf der Suche nach Futter sind. Ihre weißen Federn glänzen in der Sonne und ihre Schreie füllen die Luft.

Ich frage mich, was sie wohl denken und ob sie überhaupt denken. Möwen scheinen so frei und unbeschwert zu sein. Sie fliegen, wohin sie wollen, ohne sich Gedanken über ihre Zukunft zu machen oder sich an ihre Vergangenheit zu erinnern. Ich frage mich, was es wäre, wenn wir wie Möwen wären. Wenn wir einfach durch das Leben fliegen könnten, ohne uns Gedanken über unsere Probleme und Sorgen zu machen. Wenn wir uns einfach treiben lassen könnten und die Freiheit genießen würden, die uns das Leben bietet.

Aber vielleicht sind wir wie Möwen. Vielleicht sind wir auch auf der Suche nach etwas, das uns antreibt und motiviert. Vielleicht sind wir auch auf der Suche nach unserem Platz in der Welt und unserem Sinn im Leben. Vielleicht ist es unsere Sehnsucht nach Freiheit und Unbeschwertheit, die uns dazu bringt, jeden Tag aufzustehen und unser Bestes zu geben.

Die Möwen fliegen weiter und ich beobachte sie. Ich denke an all die Orte, an die sie schon geflogen sind und an all die Abenteuer, die sie erlebt haben. Ich frage mich, ob sie jemals müde werden und ob sie jemals aufhören zu fliegen. Aber dann sehe ich eine Möwe, die auf dem Wasser landet. Sie schwimmt ein paar Meter und taucht dann unter Wasser. Ich bin überrascht, denn ich wusste nicht, dass Möwen schwimmen können.

Ich denke darüber nach, wie erstaunlich es ist, dass wir Dinge über die Welt lernen können, die wir zuvor nicht wussten. Ich denke darüber nach, wie wir ständig lernen und uns weiterentwickeln können, wenn wir offen und neugierig bleiben. Die Möwe taucht wieder auf und fliegt zurück in den Schwarm. Ich frage mich, ob sie ihren Freunden erzählen wird, was sie erlebt hat und ob sie stolz darauf ist, dass sie schwimmen kann. Ich denke darüber nach, wie wichtig es ist, stolz auf uns selbst zu sein und unsere Leistungen zu feiern, auch wenn sie klein sind.

Ich denke darüber nach, wie oft wir uns selbst kritisieren und wie selten wir uns selbst loben. Vielleicht sollten wir öfter stolz auf uns sein und uns an all die Dinge erinnern, die wir erreicht haben. Die Möwen fliegen weiter und ich beobachte sie. Ich denke darüber nach, wie schön es ist, einfach hier zu sitzen und nichts zu tun. Ich denke darüber nach, wie oft wir uns in unserer hektischen Welt von der Ruhe und Stille entfernen und wie wichtig es ist, uns Zeit zu nehmen, um einfach nur zu sein.

***

Liveaboard Logbuch; Staffel 2 — „Wieder Wasser unterm Kiel“

Moin und willkommen zur 2. Staffel meines Logbuch-Newsletters über die fiktiven Abenteuers von Pit an Bord seiner Segelyacht.

Zwei Neuerungen wird es geben:

1. Ich schreibe in der schriftstellenden dritten Person, kombiniert mit Logbucheinträgen in der 1. Person; vor allem, um Zusammenhänge und Ereignisse nicht immer nur aus einer Perspektive erzählen zu können.

2. Echte Häfen. Ich will mehr über die Häfen erzählen, in denen Pit liegt, strandet oder vorbei segelt. Strande ist also nu auch Strande 😉

Ich verblogge das Logbuch hier auf blog.ring2.de, dadurch auch im Fediverse abonnierbar: @erik@www.blog.ring2.de.

Ausserdem per E-Mail via #Substack:

https://logbuch.substack.com/p/wieder-wasser-unterm-kiel?sd=pf

Charly

Nichts gegen Prunk. Nur einen Buchstaben vom Punk entfernt; ich würde euch beiden erliegen. Könige geben Audienzen und sich neue Namen. Dich so zu sehen, Hamburg, so aufgeregt. Schlimm.

Manchmal kann es ruhig kurz sein. Ich habe keinen König, und das ist gut so. Warum sollte ich mir einen anschauen? Etwas, das grösser ist als ich, finde ich überall.

Erst mal n Kaffe

Guten Morgen,

Ich hoffe du bist gut hochgekommen heute. „Erstmal n Kaffe“, twittert ein Bekannter von mir immer als erstes. Ohne das zweite E, so wie man ihn in Hamburg spricht. Ein wenig weiter nördlich, so lernte ich gestern von einem alten Bloggerkumpel, trinkt man Espresso mit Kardamom. Man mag es offenbar exotisch in Schleswig-Holstein.

Das, was Du zum Start in den Tag trinkst, hat ja auch was zu sagen, sagt meine Oma.

Sie schwört auf Filterkaffee, aufgegossen mit „springend kochend Wasser“. Wie modern sie schon vor 40 Jahren war, kann jeder sehen, der sich im Hain, dem Blatt oder in Frankfurter Edelröstereien umschaut.

„Springend kochend Wasser“, wenn ich das schreibe, dann höre ich sie wieder. Stolpernd über den spitzen Stein. Wenn ich sie in diesem Text sprechen lassen möchte, dann setze ich ihre Rede in Anführungszeichen — die hat sie immer „Gänsefüßchen“ genannt.

Ich lese gerade ein neues Buch, da haben sie die Gänsefüßchen vergessen. Mit Absicht womöglich… das liest sich dann in etwa so:

Sie lassen dich also raus, Wollie. Sieht so aus.

Was willst du jetzt tun?

Tanzen.

Ist gewöhnungsbedürftig.

Was, Wollie?

Die Freiheit, Sir, die Freiheit.

//: komm gut in deinen Tag, jetzt erstmal n 2. Espresso. 😉

Erik

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Wenn die Seele schwimmt – der nautische Frühlingsanfang

Moin Moin von der Ostsee.

Wann in meiner Familie der Frühlingsbeginn gefeiert wird, habe ich letzte Woche ja schon geschildert. Nicht zwingend danach folgt dann der nautische Frühling: der ist, wenn das Segelboot am Kran hängt und mit seinem Kiel das Nass der Ostsee berührt.

Es ist jedes Jahr ein besonderer Moment; die Erlösung von einem 5-monatigen Winterblues. Auch wenn das Wasser (4 Grad) und die Luft (8 Grad) noch sehr winterlich anmuten, lächelt mein ganzes Wesen in den strammen Südwestwind, die Segelsaison hat begonnen, die Lady schwimmt. Sogar der Diesel springt ohne zu Mucken an – ein gutes Omen.

Und gleich feuern auch die kreativen Synapsen; erinnert sich mein Sein an das virtuelle Leben meines Protagonisten Pit, dessen Logbuch ja auch seit einem halben Jahr verstaubt.

„Vorsicht“, ruft da einer am Kranplatz und reißt mich aus meinen Gedanken. „Der neue Belag am Steg ist sauglatt“. Ich hebe die Hand zum Dank und versuche ganz besonders bedacht auf meine Ohlson 8:8 zu steigen. „Wir wetten schon, wer der erste ist, der in den Teich glitscht“, ruft mein Kümmerer noch und lacht, „dann warten wir noch ein bisschen länger – gute Fahrt und schöne Saison“. Überlege, Pit dort abglitschen zu lassen, konzentriere mich aber besser auf meinen ersten Anleger der Saison.

Ich weiss nicht, ob es allen Seglern so ergeht, aber ich fange gefühlt jedes Jahr beinahe bei Null an. „Seebeine kriegen“, hat meine Mutter das immer genannt, das unsichere Herumstolpern an Deck, wenn man nach einem Winter auf dem Sofa erstmals wieder aufs Wasser geht.

Der Südwestwind schickt kräftige Böen durch den Strander Hafen. Ich bin das erste Segelschiff an der Ostmole. Erwartungsvoll recken sich die Dalben mir entgegen – wo ging es nochmal zu meinem Liegeplatz?

Ich habe vor, mich in die beiden Achterleinen einzudampfen; schon 100x gemacht und trotzdem bin ich aufgeregt. Mein Kopf weiss, wie es geht. Mein Körper hat aber vergessen, was er wann und vor allem so nacheinander zu tun hat, um nicht quer in der leeren Boxengasse zu enden. Eine Böe drückt nochmal von hinten, das Wasser ist gefallen und wird weiter aus der Kieler Förde gedrückt. Die Dalben werden höher und höher, als ich die Backbord-Achterleine über den ersten wuchte. Ich stolpere zur anderen Seite und verpasse fast den zweiten Dalben. Ich fange an zu schwitzen, mein Schienbein tut mir weh. Ich hab mich mehrfach irgendwo gestossen.

Irgendwie geht alles gut, ich hänge nur ein wenig quer in den beiden Achterleinen, als ich über den Bugkorb mit der Luvvorleine an Land springe. Für ein mitleidiges Hafenkino war zu wenig Publikum da. Das erste Manöver ist geglückt, alles ist heil geblieben – und ich an Bord.

Die Eigentümer der Hafenkneipe am Fuß der Mole haben über Winter gewechselt. Der Laden heisst jetzt nach einem schwedischen Märchen. Glücklicherweise ist die Barfrau noch dieselbe, das macht den Übergang erträglich. Ich bestelle das erste Pierbier der Saison (die Biermarke hat auch gewechselt) und lächle den Wolkenfetzen zu, die in Richtung dänischer Südsee jagen. Bis bald, denke ich als ich Rasmus den ersten Schluck ins Hafenbecken gieße. Bis bald.

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Ertrinken in Dir

In zwei oder drei Milliarden Jahren wird unsere Milchstraße mit dem Andromeda-Nebel fusionieren. Sie werden ein paar Jahrhundertmillionen umeinander hertanzen und dann verschmelzen.

„Zwei oder drei Milliarden?“, du willst es ganz genau wissen. „Sag ich doch, zwei oder drei Milliarden“, antworte ich. Und kein Schwein wird sich daran erinnern, dass die Dinger Milchstraße und Andromeda hießen.

Wir liegen auf dem Rücken, der Sand in Laboe ist noch warm von der umwerfend sonnigen Woche, die hinter uns liegt. Du schaust in die Sterne, ich schaue in dich. Deine Nase hat mir immer schon gefallen, die von der Seite wie ein fast perfektes Dreieck aussieht. Ich muss unwillkürlich an einen Schwertfisch denken, wenn ich Dich sehe, aber das kann ich Dir natürlich nicht erzählen, das würde man ja kaum als romantisches Kompliment verstehen. Schade, denn im Grunde ist es eines.

Im Augenwinkel sehe ich die Existenz eines Kometen zu Ende gehen, er zerbricht in drei Teile, die hell über den Himmel jagen. „Ooooaaahh“, rufst Du begeistert. Und ich hoffe, dass Du Dir dasselbe wünschst, wie ich.

Du lächelst mich an, und ich versuche das auch. Wenn ich nur nicht so doll pinkeln müsste. Schiet, ich weiss doch, dass Bier bei mir diese Wirkung hat. Kalter Prosecco wäre auch viel stilvoller gewesen.
Da kommt mir eine Idee, als ich mir die verlassenen Strandkörbe so ansehe. Wir sind allein am Strand. »Komm, gehen wir schwimmen«.

Über uns die Sterne, das Wasser ist warm, und Du hast eine Gänsehaut, die ich soo sexy finde. Ich spüre sie unter Wasser, als wir uns umarmen, Wasser tretend. Mir ist nicht kalt, sondern wirklich heiß. Als wir uns küssen, stößt mich unten etwas an. Und bevor ich genau realisiere, was, ruckt dein Kopf nach unten. Dann wieder nach oben. Du schaust mich verwundert an, und lächelst sogar, als ein weiterer Ruck dich mir entzieht. Du bist weg. 

Ich bin allein. Das Wasser um mich herum fühlt sich komisch warm und zäh an. Mir wird kalt. Ich spüre meine Beine nicht mehr, obwohl ich immer noch meine Wasser zu treten. Ich schaue nicht nach unten, nein, ich will nicht. Ich schaue in den schwarzen Himmel. Spanische Musik weht in Fetzen vom Strand herüber, in der Tapasbar am Strand von Laboe ist mal wieder Halligalli angesagt. Die Nachtfähre nach Göteborg läuft mit voller Kraft aus der Förde als ich untergehe. »Fischfutter, Fischkutter, Milchstrasse« – 
… als ich wieder zu mir komme, sehe ich eigentlich nur ein dunkles Grün. Es ist still, und ich atme nicht. Langsam kommt alles wieder in Gang, als ob da eine Checkliste abgearbeitet wird. … Ob meine schwarze Lederjacke noch am Strand über dem Strandkorb hängt? Zusammen mit meiner Hose?

Vierter Versuch: Literatize yourself

“Glaubst Du wirklich, das Wirken der Welten ließe sich durch 13 teilen?”

Wir erfinden mich gemeinsam, neu.
Entfernen die Züge der Jugend.
Ändern wir auch die Welt?
Ja. Und mich nebenbei mit.

Ich putze meine Zähne,
Der Spiegel schaut mir ins Gesicht.
Lächle mich an, und suche,
Aber Ewigkeit sehe ich nicht.