Glückstadt

Ik glööv in Glückstadt kann ik mi verleeven.

Allens dor schikt mi Heimatföhle. De däänsch Herkunft, de Elv un de frische Westwind, de en Steve üm de rode Nees weht.

In‘ Binnenhaaf kunn man sogaar överwintern, denk ik. Un goot Labskaus gifft dat ok.

Auf hochdeutsch:

Ich glaube in Glückstadt könnt ich mich verlieben.

Alles dort sendet mir Heimatgefühle. Die dänische Herkunft, die Elbe und der frische Westwind, der einem steif um die rote Nase weht.

Im Binnenhafen könnte man sogar überwintern, denke ich.

Und gutes Labskaus gibt‘s auch.

Wohin fliegen Bienen im November?

Der Efeu blüht,  es ist Ende Oktober — ein Tag vor Halloween. Ein wanderndes Volk Bienen schwirrt und sitzt seit vorgestern in der Hecke.

Ein Gebrumm wie Sommerfrische. Die Sonne versteckt sich währenddessen hinter Nebelschwaden, an denen unermüdlich ein Tiefausläufer reißt.

Über den Bienen biegt ein Schwarm Gänse nach Südwesten ab. Immer schräg gegen den Wind.

Ziehen Bienen jetzt neuerdings auch nach Süden? Heute Morgen waren sie verschwunden — und ich allein mit dem November.

Winterhaken

„Na?, bist du aufgeregt?“, fragt mich der Hafenmeister, als meiner Schwedin die Gurte angelegt werden.

Was für eine Frage, natürlich bin ich aufgeregt. Gleich wird meine Liebste ihrem Element entrissen und von einem gigantischen Stahlarm an Land geworfen.

Es geht schnell. Und es geht wieder gut. Trotzdem bleibt der dunkle Schmerz des Verlustes. Er pocht lange. Voraussichtlich bis Ende März.

„So ein starker Mann und so aufgewühlt“, ruft er hinterher.

Nu ist Winter.

Sonntag aufm Elbdeich

Am Sonntag haben wir das Gleiche getan, wie einst ein berühmter Sohn Wedels: wir gingen spazieren. Entlang der Wedeler Au in Richtung Fährmannssand an der Elbe.

Bummelig einhundert Jahre später schlendern wir an denselben Linden vorbei und lauschen ihrem Rascheln im Westwind.

Ob der Maler von einst auch dort Rast machte?, denke ich als unsere Bestellung kommt: „Sind Sie der Bauer und die Hausfrau?“, fragt die Kellnerin. Wir nicken und stärken uns während Schafsgeruch vom Deich herüberweht.

Kaffeonkel

Kaffee trinke ich länger als Bier. Und habe nie länger als einen Tag auf ihn verzichtet.

Früher, als wir uns die Nächte in Medienlaboren und im frühen Internet um die Ohren geschlagen haben, literweise aus großen silbernen Kannen. Heute kleiner und schwarzer als Espresso.

Vier Espressi sind es im Schnitt. Mal schwarz, oft als Melange mit Kakao. Etwas, was es früher bei Lufthansa an jedem Gate kostenlos zur Zeitung gab.

Eine stille Sucht, die ich mit allen teile, die ich kenne.

I am a stutterer therefore I speak slowly

Als ich 13 Jahre alt war, flog mich mein Vater nach New York City. Was toll war, denn das war auch 1981 eine tolle Stadt.

Dort gab es einen Arzt, der Stottern ganz anderes behandelte, als alle anderen vor ihm. Er behandelte uns nicht als psychisch Kranke.

Um seine Therapie einzuüben, die wir zwei Tage lernten – in einem eigenen „Center for Stuttering“ an der 5th Ave. – schickte er uns mit einem fake Rekorder und einem großen Button am Revers auf die Straße, um Menschen „zu interviewen“.

Der Beginn meines Podcastlife.

Superman-Mond

Gestern flog Superman am Supermond vorbei. Er wäre gut zu sehen gewesen, wenn es in der kleinen Stadt nahe der Metropole nicht bewölkt gewesen wäre.

Was hat der Dunst mich noch verpassen lassen?, frage ich besorgt die fallenden Blätter vor meinem Fenster. Sie können es gerade nicht fassen, dass ihr Ast sie bei 19 Grad einfach los lässt.

„S‘ist Zeit“, nuschelt der Baum.
„Wo ist Superman, wenn man ihn braucht“, wimmert das letzte Blatt, bevor der Wind es fort trägt, in den Nebel.

Die Hexe von Blankenese

Meine Ur-Ur-Ur-Omi konnte Warzen besprechen. Und Tote vorhersagen. Sie wurde die „Hexe von Blankenese“ genannt.

Zwei Dinge sind über die Generationen zu mir überliefert. Wie man Warzen bespricht (Spoiler: klappt sogar und braucht nur einen Apfel und den Vollmond) und dass Personen, von denen man träumt, dass sie sterben, Glück haben: sie sind es nicht, die kapeister gehen.

Omi wurde am Süllberg verschüttet. Ob das auch jemand träumte vorher?

Heute ist übrigens Vollmond.

Schalterbeamte

„Das gibt‘s doch gar nicht“, dachte ich, als ich kurz vor sechs die Post betrat. Kein Mensch vor mir, keine Schlange und Menschen an den Schaltern, die mich erwartungsvoll ansehen.

„Kein schlimmes Einschreiben bitte“, scherze ich.

„Menschen mit der richtigen Mütze bekommen nur gute Briefe“, sagt der Schalterbeamte. Als ich fragend einfach so dastehe, ergänzt er: „Die von Baumgart“.

Ich löse das Mißverständnis nicht auf.

Als ich gehe, ruft mir der Mann hinterher: „Sie können gerne wiederkommen“.

Oordentliches Aarhus

Dänisches Design, konsequent angewandt, macht Städte langweilig.

Steile These.

Nimm Aarhus; alles sauber.
Dort, wo alte Kaianlagen friedlich vor sich hin rosteten, hieven nu Baukräne stylische Wolkenkratzer in die Höhe.

Wohnen, so mit Müll, Gebrüll und Streit, tut da keiner mehr.

An der Pier vorm Dokk1 liegt ein Traditionssegler ohne Mannschaft. Seine einzige Aufgabe: dem Beton und Stahl etwas Nostalgie entgegen setzen.

Selbst der Hauptbahnhof wirkt klinisch wie ein Sanatorium.

Plötzlich Stefan Raab

Neulich war ich in einem chinesischen Restaurant, das von einer Familie aus Togo betrieben wird. Es war leer, O. und ich die einzigen Gäste.

Mir fiel auf, dass die ganze Familie abwechselnd bediente, mich komisch anlächelte. Ich ignorierte das höflich.

Nach dem Essen fasste sich der Vater ein Herz: „Es ist eine Ehre Sie hier zu haben, Herr Raab; dürfte ich ein Autogramm haben?“

Ich brachte es nicht übers Herz, ihn aufzuklären.
Seitdem hängt mein Autogramm über dem Herren-WC.

Doch kein Hurricane

Nu isses doch kein lupenreiner Hurricane mehr, der auf Norddeutschland zusteuert. „Kirk“ wird ein früher und heftiger Herbststurm werden, sagt Sebastian vom Segelwetter. Das kann Donnerstag heftig werden.

Am Wochenende habe ich Extraleinen an meiner alten Schwedin ausgebracht und mich tatsächlich ein wenig gegruselt, als der Hurricane der Stufe fünf plötzlich nach rechts abbog, statt wie sonst immer, Florida zu ängstigen.

Aus 50 Knoten Forecast wurden 36.
Genug.