Monat: Mai 2025

Viva

Ich frage mich, ob das immer noch so ist, dass pittoreske italienische Dörfer auf Bewohner hoffen, weil die alten verschwinden. Quasi McPomm in lebenswert.

Ich träume mich dann auf den Marktplatz, an dem ich jeden Tag sitze. Ich trinke Espresso und schaue dem Dorf beim Treiben zu, trage einen Strohhut gegen die Sonne und wechsle gegen 1400 Uhr zu Weißweinschorle.

Mit W. u M. gehe ich zum lokalen 4. Liga Club und im Herbst kommen die Kinder zu Besuch.

La dolce vita di sempre

Hach, ne Ohlson

Als ich unsere Ohlson 8:8 – eine schwedische Segelyacht aus den 70ern – vor 15 Saisons das erste Mal segelte, standen unvermittelt ältere Herrschaften vor unserem Bug, schauten lange aufs Boot (und irgendwie verträumt durch mich hindurch) und schwärmten: „Wir hatten auch eine Ohlson“, sagte der Mann. „Die hätten wir nie verkaufen sollen“, ergänzte die Frau. „Auf der Ohlson haben wir die beste Zeit unseres Lebens gehabt“.

15 Jahre später, also vorgestern, segeln min Fru und ich aus der Kieler Förde raus in Richtung Dänische Sydsee, als eine größere Yacht von Achtern aufholt. Sie hält direkt auf unser Heck zu. Als ich mich gerade noch über das Manöver wundere, ruft der Segler zu uns rüber: „Eine Ohlson, tolles Schiff. Hatte ich auch mal“, und drehte dann winkend wieder ab in Richtung Kiel.

„Der hat uns verfolgt, um uns das zuzurufen?“, sagt B in den Wind. „Wie cool 😎 ist das denn?“

Extremsegler

Das Wochenende, das ich mir für meinen ersten Einhandtörn ausgesucht hatte, war ein windiges. Es war einigermaßen warm, aber die Ostsee war Mitte Mai noch einigermaßen frisch.

Mein Ziel war Schleimünde, nicht zu weit weg vom Heimathafen an der Kieler Förde, und doch so weit, dass man den Schlag als echten Segeltörn verbuchen könnte.

Ablegen, Aufheissen der Segel, alles klappte wie am Schnürchen. Kein Wunder, war mir die Kieler Außenförde doch vertraut. Ganz anders dort, wo ich hinwollte: ich war noch nie einhand an der Lotseninsel angelegt.

So richtig genießen konnte ich das Segeln an diesem Tag wohl nicht, immerhin erinnere ich nix mehr, was besonders wäre.

Der Wind kam aus Ost, weshalb ich gegen ihn gerichtet an der Ostseite des einstigen Nothafens anlegen wollte. Einem alten Gentlemens-Agreement folgended, warf ich meine Achterleine über nur einen der Poller und ließ meine Schwedin langsam mit ihrem Restschwung in die recht große Lücke treiben, die ich mir als Liegeplatz ausgesucht hatte.

Schon mein Vater hatte 30 Jahre zuvor Aufmerksamkeit erregt, als er, statt mit den angesagten Vollgas voraus, Vollgas zurück, ganz sutsche in die Boxen der ACY Marina Trogir schlüpfte, so langsam dass sogar die Marineros neugierig ihre aktuelle Arbeit unterbrachen.

„Solange auch die kleinste Fahrt im Schiff ist, kann dir nix passieren“ hat er immer gesagt.

Seinen Rat im Kopf, hatte ich mir eine weitere Regel selbst erstellt, die ich jetzt anwenden wollte (und die ich wegen ihres großen Erfolges immer noch anwende, wenn ich allein segle).

Du kannst nicht überall sein, hab ich mir gepredigt, also versuch es gar nicht erst, elegant anzulegen. Dein Boot ist kein Auto, und ein Liegeplatz keine Garage.

Fender raus und auf das Schiff in Luv legen. Fertig. Wenn Du fest bist, schaust Du weiter.

So tat ich das auch. Leichter Nieselregen und ein schralender Wind, nu leicht aus Süd, drückten meine Ohlson auf ein schönes Mahagoni Boot, das nicht weit von hier bei Kappeln vor 60 Jahren gebaut worden war.

Der Skipper und sin Fru lugten kurz aus der Kuchenbude und nickten mir freundlich zu, als sie sahen, dass ich mein Anlegemanöver im Griff zu haben schien. Meine Nervosität schienen sie nicht zu bemerken – oder sie waren so höflich, sie zu übersehen.

Als alles fest war, latschte ich die wenigen Meter zum Hafenmeister, bezahlte das Hafengeld in bar und gönnte mir in der Giftbude ein großes Bier als Einhandmanöverschluck.

Nächsten Tag wollte ich weitersegeln. In die dänische Südsee. Meine gelungene Premiere hatte mir Flügel wachsen lassen, nu ab nach Marstal, Drejø und Korshavn – alles einhand.

Als ich die Ohlson segelfertig machte, schnackte ich noch kurz mit der netten älteren Lady von nebenan. Ob sie auch los wollten, fragte ich. Da antwortete sie:

„Junger Mann, Sie müssen wissen, mein Mann und ich sind Extremsegler — wir segeln nur bei extrem gutem Wetter“.

Wir lachten beide und als ich ablegte, wirkten mir beide hinterher.

Das war auf den Tag genau vor 13 Jahren.

Heute haben B. und ich beschlossen, nicht rauszugehen, die elend lange Regenfront lieber abzuwarten, bis Montag besseres Wetter kommt.

Es sieht so aus, als würden auch wir uns langsam zu Extremseglern entwickeln.

Und dann kam Claude

Na, alter Kumpel. Wie gehts?

Schlecht. Sanne hat sich von mir getrennt.

Oh, wie das. Ihr wart doch das Vorzeigepaar.

Sie hat sich in einen anderen verliebt, hat sie gesagt.
Er heißt Claude.
Sie verbringt den ganzen Tag mit ihm in ihrem Zimmer.

Erst hab ich das nicht so ernst genommen. Dann meinte Claude, ich solle nicht mehr im gemeinsamen Bett schlafen, dann schmeckte ihr mein Essen nicht mehr. Claude hat bessere Rezepte.

Nun hat Claude von unserer Wohnung die Schlösser ausgetauscht.

Communities – die stillen 90%

Ich baue seit dreißig Jahren Communities. Für Unternehmen, TV-Sender, Vereine, Parteien, und auch privat. Mich hat es immer fasziniert, wie Communities funktionieren. Besonders spannend ist hierbei die 90-9-1-Regel, die in a nutshell besagt, dass 90% der Community eher stille Teilhaberinnen sind, die selten in Aktion treten.

Und doch sind diese 90% sooo wichtig. Warum? Na, unter anderem, weil es ohne sie die aktivsten 1% nicht gäbe – und, vielleicht noch wichtiger – weil sie aktiv werden, wenn es in der Community um etwas geht, sie bspw von Außen bedroht wird.

Das sind dann die Momente, die mir als Initiator einer Community ans Herz gehen. Wie gerade in der Community unserer Podcast Hörerinnen und Blogleser drüben bei St. Pauli POP

Nach einer Abmahnung kommen 1/4 der Kosten durch Solibeiträge der Community wieder herein (ich kenne fast niemanden der Spendenden persönlich). Das freut mich so sehr, dass ich beinahe vergesse, wie weh die restlichen 3/4 tun 😉


Dazke vielmals B30 für den tollen Soli.

Strategisches Daumendrücken

Ich habe heute wie ein Baby geschlafen. An Bord unserer kleinen Segelyacht. Sie liegt in einem kleinen Hafen an der Kieler Förde.

Neben Segeln und Handball interessiert man sich hier neuerdings auch für Fußball. Wahlweise für den HSV oder die KSV, oft beide.

Nun begibt es sich jedes Jahr im Frühling, dass die Segelsaison beginnt und die Fußballsaison sich ihrem Finale nähert.

Dieses Jahr spielen alle um irgendwas; der HSV um den Aufstieg, die Kieler SV und mein FC St. Pauli gegen den Abstieg (auch, wenn der eine oder andere behauptet, Ihre Spieler spielten um den Abstieg).

Ich krabbel also gerade aus der Koje und die Morgensonne scheint mir ins Gesicht, als M. mir von der Mole aus zuruft: Na? Wie sind deine Tipps für heute?

Ich wünsche heute ausnahmsweise mal strategisch.

Ich auch.

Das wird das einzige Mal, dass ich dem Rostocker in Berlin die Daumen drücke.

Also Sieg Union. Heidenheim verliert, (ich bin heute für die KSV) Kiel spielt unentschieden zuhause. Bochum ist egal.

Und nachher dann der HSV. Sagt M. Und dann bin ich nächstes Wochenende für Werder.

Auch irgendwie schräg.

Du sagst es.

Abfall bitte zurückbleiben

Hamburg, zehn Grad (alle Zahlen unter 13 schreibt man aus, so kalt), Nieselregen

Ich bin Teil der Generation, die ein mittelklassiger Autor mit Titel-Talent einmal Generation Golf getauft hat. Für mich gehört Individualverkehr mit Kraftfahrzeug zum Leben dazu. Vor unserer Schule verursachten damals keine Helikoptereltern den morgendlichen Stau, das waren wir Schüler selbst (während unsere Gemeinschaftskundelehrer im Liegerad versuchten, um uns herum zu kurven).

Ich bin trotzdem überzeugter Bahnfahrer geworden, der Deutschen Bahn zum Trotz.

Der Bahnsteig als Sprungbrett in ein getaktetes Abenteuer, der Zug manchmal aus Budapest, manchmal aus Prag kommend (auf dem Weg zurück), die (mit Ermessensspielraum ausgestatteten) Schaffner in Maroon-farbenden Hosen in die Billetzangen Beulen schlagen und die Vielfalt an Begegnungen (gestresste Vielfahrer, Omas auf dem Weg zu ihren Enkeln oder der Fußballfanstammtisch auf der Strecke Köln-Hamburg), all das macht eine Bahnreise für mich aus.

Im Gegensatz zum Pferchen und Drängeln in Bodyscannerschlangen, vor Gates mit Businesskasperfastlanes, vor der Flugzeugtür im winterkalten Finger, unter den vollgestopften Overhead Compartments (und dann am Zielort dasselbe nochmals nur andersrum), ist das Fortbewegen im rhythmisch rumpelnden Zug echtes Reisen.

Selbst kleine Fahrten, atmen den Geist des vernetzten Kontinents, können Beginn oder Finale derselben Erfahrung sein, wie eine S-Bahnfahrt von Altona ins einst dänische Blankenese.

Ich weiß auch nicht so genau, wieso mich diese Meldung heute Morgen so traurig macht, dass die S-Bahn Hamburg die kleinen Müllbehälter an den Vierersitzen abschraubt. Alle.

Vielleicht weil dies die kleinen Dinge sind, die eine Reise von einem Transport unterscheiden.

(Ich hab plötzlich den Wunsch mal ne Fahrt in der historischen S-Bahn zu unternehmen, schräg)