Hamburg, Mitte August. 14 Grad und immer mal kurze Regenschauer.
Carsten Meyer, mit Ypsilon, ist ein Mann, vielleicht der Einzige, der seinen Wohlstandsbauch mit einer selbstverständlichen und würdevollen Coolness tragen kann. Nicht nur in diesem Sinne ist er mein Vorbild.
Ich bin auf dem Weg zu ihm. Dachte ich zumindest bis eben noch. Der ICE nach München ist in Pinneberg gestrandet. Jemand aus der Gegend hat eine Flasche auf den Zug geworfen und eine Scheibe getroffen.
Dann doch lieber Urlaub in Spanien?, steht auf den Gesichtern meiner Mitreisenden.
Der ICE ist wohl zu lang, der steht über die Weichen rüber, orakelt der Zugführer des RB61, in dem ich jetzt festsitze. Ich muss warten, bis sie den ICE mit Loch an der Seite weggefahren haben. Ob Erobique auf mich wartet ist derweil unklar.
W. und A. warten Dammtor auf mich, denn Carsten Meyer zeigt seine Kunst in Planten un Bloomen, in dieser herrlich patinierten Konzertmuschel, wie man sie in den 70ern gerne in Ostseebädern oder Bad Sachsa verbaut hat. Im inoffiziellen Stadtpark St. Paulis hat sie überlebt. Mehr noch, coole Acts, wie L’Imperatrice oder eben jetzt Erobique, haben sie mit neuem Leben erfüllt und überfordern regelmäßig den nahe gelegenen Kiosk.
Ok, wir stehen immer noch. Da habe ich Zeit, euch von iX zu erzählen. Ein Blogger aus Berlin, der sowas wie ein kleiner Star der Szene war, als Bloggen der neue heiße Schiet war. Er bloggt wieder und postet das ins Fediverse. So wie ich auch. Seine Definition des Bloggens hat viel mit Improvisation zu tun, genau das, was auch Carsten Meyer mit seiner Kunst macht.
„dinge ausprobieren, dinge obsessiv zu verfolgen bis sie mich langweilen, gelegentlich den geschmack anderer zu treffen und gelegentlich das gegenteil. alles in der öffentlichkeit, aber eigentlich nicht für die öffentlichkeit.“ — wirres.net
Ich bin inzwischen in Planten und Bloomen angekommen, ein wenig zu früh. Auf dem Weg durch die kuratierte Pflanzenwelt höre ich Carstens Warm-up. Sehr groovy, schon von Weitem.
Pünktlich zum Beginn des Konzertes regnet es es ein wenig. Es ist Mitte August und trotzdem ist der Nieselregen schon herbstlich kühl. Ein Regenbogen 🌈 formt sich aus Licht und Tropfen, wirkt gleichzeitig arrangiert und spontan, wie alles heute Abend.
Erobique hat ein paar Hundert Leute zu sich ins musikalische Wohnzimmer eingeladen. Zusammen mit anderen Sideacts (die beinahe noch cooler sind, geht das?)

„Musik für die Nachbarschaft“
Erobique legt einen Teppich aus verschiedenen Rhytmen und Grooves auf das Buffet, spickt die Platte mit tanzbaren Discosamples, käseigeligen Anekdoten und schlagersken Mitsinggürkchen.
Das ganze kann man sich auch bei ihm Zuhause in der Weidenallee vorstellen. Nahbarer Nachbar, Profiproduzent und lustig gleichzeitig.
Ich treffe E., der auch diesen Blog liest (jeah!), C., den ich 20 Jahre nicht gesehen habe und Philipp, der schon Prota einer 500 Zeichen Geschichte war. 》Random Erinnerung.
All das verstärkt das Gefühl, in einer zugegeben etwas zu großen, aber ziemlich coolen, gemeinsam reifenden Nachbarschaft zu sein. —
Ähnlich der Blogosphäre, die sich lustigerweise im föderierten digitalen Raum wieder trifft.
So groovy und schön wird das morgen um 1830 sicher nicht, orakelt W. nach der letzten Zugabe. Ich weiss nicht, der Zugführer hatte ja am Ende auch Unrecht, denke ich. Vielleicht trägt die Nachbarschaft und ihr Groove ja auch den FC St. Pauli?
Regieanweisung: Blogger dancend ab...
PS — immer wieder sagen mir Menschen im RL, wie nett, gut, groovy oder lustig sie meine Texte finden. Das ist toll. Wenn es Dir auch so geht, dann schicke diesen Blogartikel/ Letter doch gerne mal als Empfehlung weiter, via Mail, Mastodon oder Mundpropaganda. Oder schmeiße einen Heiermann in meine Kaffe-Kasse.
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