Strande, 10 Grad nachts, Sturmnacht mit 10 Bft. aus SO.
Ich würde so gerne schlafen, doch Detlef, der ehemalige Hurricane Humberto, dem sie in Deutschland diesen schlimmen Namen verpasst haben, lässt mich nicht.
Ich wär auch sauer, wenn man mich plötzlich so nennt, nur weil ich nicht mehr todbringend mächtig bin. Für den kleinen Hafen an der Ostsee reichts aber noch und dafür, mich um den Schlaf zu bringen.
B. und ich haben vorne und achtern Extraleinen ausgebracht, alles, was klappern kann, festgetüdelt. Eigentlich kann nix passieren, und dennoch lausche ich in der Koje auf jeden extra Ruck in den Leinen, das Klatschen der Wellen an die Bordwand und das Heulen der Böen, die heute Nacht zehn Beaufort erreichen. Humberto hat noch Bock.
Skipper schlafen schlecht bei Sturm. Das ist so, und wahrscheinlich schon immer so gewesen.
Wie ich da so rumliege, müde und halb eingeschlafen, spielt mein Geist Filme von vergangenen Sturmnächten.
Heute im Programm:
- Die wohl schlimmste Nacht, eine vor 35 Jahren in der Nordadria, als wir gerade einer drohenden Seenot entgangen waren und der Sturm nachts drehte und zurück kam (das macht die Schwarze Bora gerne mal). Völlig fertig krabbelt man aus der Koje und muss schlapp und hilflos zusehen, wie das Schiff auf Legerwall immer wieder gegen den Kai geschlagen wird. Alle Segelsäcke liegen dazwischen und verhindern Schlimmeres.
- Der Film macht einen soften Schwenk zur Sturmnacht letztes Jahr in Marstal, wo in dem rundum geschützten Hafen trotzdem eine eklige Welle stand. So wie heute in Strande. Beim Leinenklarieren bin ich neben das Boot getreten und beinahe Außenbords gefallen.
Zu den inzwischen regelmäßigen Geräuschen kommt ein neues, ein Jaulen von Metall. Ich versuche es zu ignorieren, und weiß doch: es wird nix nutzen. Ich muss raus in den Regen und in den Sturm.
Die Pinne hat sich freigespielt und tanzt im Cockpit herum. Ich blinzle in den peitschenden Regen, werde pitschnass als ich das Ruder beruhige und festtüdel.
Nächsten Morgen, es ist schon zehn durch, schäle ich mich aus der Koje. B. sagt, die riecht nach nasser Hund. Kein Wunder, nach meinem klammen Geturne in der Nacht.
Ist es einmal klamm im Schiff, bekommt man die Feuchte kaum raus, solange es weiter regnet. Und das soll es. Bis heute Abend.
B. macht einen Mokka in der Bialetti. Der Duft strömt durchs klamme Schiff; ist das eine Wolkenlücke da oben? Mit jedem Schluck kommt die Kraft zurück. Als B. plötzlich ruft: „SONNE!“.
Wir nehmen uns vor, den Nachmittag im Fördebaumarkt zu verbringen. Winterlagersachen einkaufen. Denn an der Ostsee ist die Saison nu vorbei.
Fährst Du nach Mallorca diesen Winter?, fragt sie als wir vor dem Regal mit Gaffatape stehen. Ja, antworte ich. Dieser hier ja. Auf jeden Fall.
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