Die Bahn kommt

Location: HH-Dammtor
Bahnsteig für Fernzüge.
1 Grad Celsius, HHer Nieselregen

Ich warte auf den ICE nach Berlin. Angezeigt sind 34 Minuten Verspätung. Und während ich noch überlege, mich noch mit etwas Reiseproviant einzudecken, geschieht ein modernes Wunder: Die Verspätung verringert sich. 30 Minuten, 24, 20. Ach nee, jetzt doch nur 15.

Ich bin baff und froh, dass ich hier stehen geblieben bin. In einem Paralleluniversum stünde ich jetzt ahnungslos an einer Kasse, während die gelangweilte Aushilfe zum dritten Mal den Strichcode meiner Flipstüte scannt.

Dieser außergewöhnliche Zug wird in Dammtor in Rekordgeschwindigkeit abgefertigt, als ein junger Mann – underdressed für HH, overdressed für Berlin – doch noch noch mitwill und dafür auf den grünen Knopf am Zug drückt. Dann hämmert er. Zunächst noch auf den Knopf, dann auf den Zug, dann an das Fenster, hinter dem ich sitze. Der ICE setzt sich in Bewegung. Ich versuche ein mitfühlendes Gesicht aufzusetzen.

Dann fängt er an zu brüllen, und schleudert sein Mittagsmahl vom Schnellrestaurant auf den Bahnsteig. Vor Wut – und mit der Erkenntnis, dass man sich bei der Bahn noch nicht mal auf die Verspätungen verlassen kann.

Seglers Traum

Valence, 1°, schwacher Wind aus Nord.

Was machen Segler im Winter? Sie träumen, vom Segeln.

Manche segeln wirklich das ganze Jahr durch. Wenige haben sich auf den Weg gemacht, nach Süden bspw. über die garstige Biskaya. Oder durchs Festland durch.

Heben und senken sich entlang deutsch regierter Flüsse, begradigt und automatisiert, tingeln monoton über kleine Nebenarme bis zur Rhone. Dort soll dann die Zeit wirklich stehen bleiben, erzählt Ivan und schwärmt: „Du reist mit fünf Knoten mitten durch Frankreich. Legst an einer der vielen uralten Schleusen an, deren Brüder oberhalb Du händisch bedienen musstest und hoffst darauf, dass der kleine Gasthof und sein Wirt Lust haben, dir den Käse und den Wein der Region näher zu bringen.“

In Gedanken bin ich die Strecke schon oft gefahren. Manchmal, an einem besonders klammen Winterabend, studiere ich die Fluss- und Kanalkarten des ADAC und gehe in mir mit mir allein auf Fahrt.

Adieu norddeutscher Winter.

Nach der Flut

Luft 1°
Wind 1-2 Bft aus SW

Heute Nacht bekam die Luft Schrammen, so nah kratzte sie am Gefrierpunkt entlang. Die Heizung faucht angestrengt, während sie versucht alles Klamme aus der Kajüte zu pressen.

„Für solche Tage hat der Gott der Friesen den Rumgrog erfunden“, sagt Gerd immer.

Nach der Sturmflut ist vor dem Nichts. Nebel liegt über dem kleinen Hafen an der Ostsee. Alles ist abgeplant, ich bin allein.

Schaue den letzten Gänsen beim Abflug zu und wünsche mir Flügel.

Gleichgraukalt

Vier komma acht Grad war die Tiefsttemperatur heute Nacht, der Tag schafft nur unbedeutend mehr, fünf.

Der klamme Nebel macht alles gleich. Klamm, klein und einsam. Willkommen in meiner nebligen Welt. Unter der grauen Glocke ist man näher bei sich. Das erhöht die Anfälligkeit für Melanchologie, sagt M.

Nachher kommt Wind. Ist er stark genug, kann die Restsonne die Zellen auf 12 Grad aufwärmen.

Kleinere Regenpausen

Heute ist Montag, der Wind kommt lebhaft aus Nordost. In Böen erreicht er 25 Knoten, was gegenan schon das erste Reff bedeuten würde.

An Segeln ist aber nicht zu denken im Dezember, höchstens zu träumen.

Anders als meine Onlineexistenz erfindet sich Segeln ja nicht jedes Jahr neu. Seit 2010 auf eigenem Kiel, bei Kiel (hihi), segele ich inzwischen länger im World Wide Web auf eigenem Server.

2004 begann ich damit, meinen Weballtag in ein Weblog zu schreiben. Ich war über diese neue Form des Publizierens gestolpert, als ich einen Artikel zu einem neuen Buch las, das der Autor quasi als Appendix zu seinem eigentlichen Roman heraus brachte: das Weblog zum Buch.

Seitdem blogge ich. Und seitdem suche ich den passenden Stil, das für mich passende Format.

Die letzten einandhalb Jahre habe ich mich auf @500@blog.ring2.de Zeichen beschränkt. Und frage mich, ob ich das nu auflösen soll?

Wieder mehr Logbuch, mehr Aktualität? Wobei ich die Literarisierung meiner Texte fortführen möchte.

Ab Mittag werden die Regenpausen länger, so klingen gute Nachrichten im Spätherbst.

Markus ruft an, ich muss auflegen.

Der mit K aus Köln?, @ring2@norden.social?

Ja, der. Es geht sicher wieder um Habeck. Bis morgen dann.

102

Es ist Advent. Wir feiern den Anfang vom Ende.

Holen grünes Gestrüpp in die Stuben und zünden es oben an. Kerzenschein drinnen und künstliches Flimmern draußen an den Hauswänden, Made in China.

Es sind noch über hundert Tage bis Frühlingsanfang. 102, um genau zu sein.


Ich hasse den Winter in Hamburg. Und von Jahr zu Jahr wird es schlimmer. Was sind eure Strategien gegen den Blues? Florida kann ja nu nicht die Lösung sein. Oder?

Dunkerly

In #Dunkerly wird es früh duster zu dieser Zeit des Jahres.

Die Touristen, die im Sommer mit Hausbooten die Schleuse zum See verstopfen, sind längst wieder in den Städten, konsumieren.

Hier ist man jetzt unter sich. Als der Korrektor der Grundschule ziemlich dun vor die Tür des Pubs trat, hatte es gerade aufgehört zu regnen.

Als er in den kalten Himmel schaute, stoben weiße Wolken auseinander, als gäbe es im Norden was umsonst. Er schlug den Kragen hoch und steckte die klammen Finger in die Manteltasche. Hej, freute er sich: da war ja der Rest vom Schokonikolaus.


Ich hab seit langer, langer Zeit mal wieder von meinem Blog aus auf einen anderen reagiert. Den vom famosen Herrn Buddenbohm, der das schon ewig macht, jeden Tag.

Und der zusamnen mit Word, Dunkerly erfunden hat.

„Reclaim the Web“ 2025 Edition

Mein Trend für 2025.

2024 war für mich bereits das Jahr der Autarkwerdung.

  • Autark von Social Silos
  • Autonom auf eigenem Server. Blog, Social Node (Mastodon) und Podcast, alles auf dem eigenen Node, dank Yunohost und ActivityPub Protokoll.

2025 wird die Welt weiter polarisieren. Sich Unabhängigkeit zu erkämpfen und direkte Beziehungen zu führen, ohne Oligarchen als Rausschmeißer, ist nicht nur für Geeks angepfiffen.

Reclaim the Web 3.0 sozusagen.

Earl Grey, heiss

Wenn ich mir einen Tee koche, Earl Grey, schön heiß, und mich mit meinem Pad gemütlich in einen Sessel setze, komme ich mir regelmäßig vor wie Captain Jean-Luc Picard.

Manchmal erwische ich mich dabei, wie ich den Bund meines Hoodies kurz, mit einem Ruck nach unten, geradeziehe.

Gerade, wenn ich mich in die Lektüre der letzten Newsletter vertiefen möchte, klingelt Troi, die von nebenan. Worf hat wieder auf den Rasen der Ferengis gemacht.

Puh, Schluss mit Ausruhen. Roter Alarm.

Entspannte Jugend

Unsere Kinder rasen neuerdings nach dem Abi in losen Gruppen um die Welt. Eindrücke und Erfahrungen sammeln sie nicht beim Bewachen von Kanonen in der Lüneburger Heide, sondern in Vietnam und Kambodscha. Voller Frieden, Neugier und Zuversicht.

Was sie an lokalen Trophäen sammeln, schicken sie in Koffern nach Hause. Für später.

Doch manchmal kommt so eine Schatzkiste nicht an; „der Koffer chillt beim Zoll“ heisst das nu. Und selbst das klingt irgendwie entspannt.

Wo geht‘s hier zu den Pyramiden

Ich war einmal in Ägypten. Am roten Meer. Von da aus ist es ein ganzes Stück Strecke zu den Pyramiden.

Weil wir trotzdem Lust hatten, fragten wir den Fahrer eines Kleinbus, den mit der schönsten Musik und dem hübschesten Gebimmel im Innenraum, wie lange man denn brauche.

Er schaute uns an, überlegte kurz und sagte dann: „Je nach Wetter und Laune der Soldaten an den Checkpoints, so zwischen vier und zehn Stunden. Pro Weg“. Auf unseren irritierten Blick antwortete er mit einem Lächeln, hob beide Arme in Schulterhöhe und sagte: „Ich kann alles so gut vorbereiten wie möglich, der Rest liegt in Gottes Hand, Inshallah.“

Die Pyramiden habe ich nicht gesehen, dafür etwas fürs Leben gelernt.

Rehe

Wedeler Au

Ich gehe öfter an der Wedeler Au entlang. Ein kleines Biotop am Rande der kleinen Stadt, die im Westen sich an Hamburg ran duckt.

Ich habe da schon Auerhähne gesehen, Reiher und viele Gänse, auf dem Weg nach Süden – ach der Süden…

Im früh hereinfallenden Dunkel huschen Schemen und Schatten über die Weide. Selten kommen sie näher. Gestern – gegen Mitternacht – stehen zwei Rehe mir im Weg; und schauen fragend „Was macht der denn hier?“, bevor ihr Fluchtinstinkt greift.