Dem Grau entfliehen

Ich habe ganz vergessen, wie sehr ich diese Farbe hasse. Grau.

Sicher, es gab auch im Sommer Episoden, die nicht so schön waren. Knapp 15 Grad und Nieselregen ne ganze Woche lang. Das hier geht aber die nächsten sechs Monate so.

Ich ruf nachher mal S. an. Sie wohnt in München und flieht jeden Oktober. Nach Malaga. Das hat sich so rumgesprochen, dass da ne richtig kleine Enklave mit homeofficenden Beratern entstanden ist.

Sie lässt nie mehr Winter werden (dabei, sagt A., ist der in München im Vergleich noch sehr schön).

Was sich nie ändert

„Alle verrückt geworden“, sagt M. und redet weiter. Gefühlte zehn Minuten. Über die AfD, den Osten an sich. Über Olaf Scholz und dass die Leute mal in HH hätten nachfragen sollen. Und so weiter.

Der erste Herbststurm zieht über mich hinweg; seine nassen Nadeln zerschellen am Fenster. Ich habe keine Lust zu antworten.

„Weißt Du“, sage dann doch, „ich war vorige Woche bei meiner Tochter; wir haben gemeinsam gekocht. Als ich die Besteckschublade öffne, sehe ich lauter Gummibänder, die sie da sammelt.“

„Manche Dinge ändern sich nie“, sagt M. – Er klingt jetzt ganz ruhig.

Wachtraum

Ich liege wach und schaue den Gedanken zu. Nach einer Weile merke ich, dass Bilder abweichen von dem, was ich als Realität erkenne.

Da reitet eine ehemalige Flamme auf einem Schimmel durch meine Küche und gibt mir Tipps fürs Chili.

Ich würde gerne darin verweilen. Dummerweise führt mich das Erkennen ins Wachsein zurück.

Leute sagen, das könne man trainieren, im Traum wach zu sein und doch weiter zu träumen.

Vielleicht erfahre ich dann, was an meinem Chili fehlt.

Herbst und Arbeit

Das Deck ist pitschnass, dabei hat es nachts gar nicht geregnet. Ein untrügliches Zeichen, dass der Herbst naht.

Fischer B. hat seine STRA 2 auf den Slip gezogen, um das Unterwasserschiff von Pocken zu befreien. Später kommt dann der neue Antifoulinganstrich.“Das mach ich dann im Herbst“, lacht er, „die Arbeit läuft ja nicht weg“.

„Heute ist der letzte schöne Tach“, sagt er noch, bevor er im Fischimbiss fragt, ob es schon Kaffe gibt.

Um 14:43 Uhr beginnt er, der astronomische Herbst.

St. Pauli wie es sein soll

Jedes Jahr im September ist St. Pauli – vor allem die viel geschundene, von Jungesell:innen gepeinigte Reeperbahn – so, wie es sein soll.

Es ist Zeit für das Reeperbahn Festival. Musik, Kunst und Performance – und vor allem die musizierenden, performenden Menschen prägen den Spätsommer auf dem Kiez. Ein überwältigendes Angebot, das ich euch unbedingt empfehlen will. Holt euch ein Tagesticket (Donnerstag!) und lasst euch treiben; aufladen mit Energie der letzten Sommerstunden vor nem langen Winter.

Owen

Ich hatte in der Schule einen allerbesten Freund. Der war auch Außenseiter. O. hatte tiefschwarze Haare, die ihm seine Mutter als Topf schnitt. Er kam aus Kanada, ich aus Blankenese — für die Mitschüler war beides weit weg.

O. mochte die Schule nicht und blieb ihr fern. Und da ich O. lieber mochte als Erdkunde beim Altnazi, schloss ich mich ihm an. Wir stromerten stundenlang durch Parks, spielten Frisbee und hörten Musik.

Es war sein 2. Verweis, mein erster. O. hab ich nie wieder gesehen.

Rote Badehose

Als Kind habe ich mich stundenlang im Wasser aufgehalten. War quasi mit meiner Taucherbrille und dem Schnorchel verwachsen.

Die meisten Bilder aus dieser Zeit zeigen eine rote Badehose, die sich gen Himmel reckt, als ich wieder einmal hinunter tauche, Seeigelskelette sammeln.

Manchmal auch lebende, um störende Badekonkurrenz zu vertreiben.

Ich konnte ganz schön lange da unten sein, trotz Asthma. Manchmal habe ich mich auf den Rücken gedreht und gen Himmel geguckt

Richtig loslassen

Loslassen ist ein Tuwort.
Tu die Dinge, die Du loswerden willst, die von gestern und davor in eine Schale und zünde sie an. Oder laufe nackt mit Räucherstäbchen durch deine Bude und vertreibe ihren letzten Fitzel Duft, egal, was die Nachbarin denkt.
Zelebriere – mit echten Sachen, hefte das Verbrauchte an ein Objekt — einen Zettel vielleicht. Versenke es, überlasse es dem Fluss oder dem Wind.

I-Ging 56 – „Der Wanderer“

Einführung in das I Ging

Das I Ging, auch bekannt als das „Buch der Wandlungen“, ist eines der ältesten chinesischen Orakelbücher und hat eine tiefgreifende spirituelle und philosophische Bedeutung. Es besteht aus 64 Hexagrammen, die jeweils aus sechs Linien bestehen, die entweder durchgezogen (Yang) oder unterbrochen (Yin) sind. Diese Hexagramme repräsentieren verschiedene Zustände und Situationen des Lebens und bieten Weisheit und Orientierung.

Hexagramm 56: Der Wanderer

Hexagramm 56 im I Ging wird als „Der Wanderer“ oder „Lu“ (旅) bezeichnet. Es besteht aus den Trigrammen „Feuer“ über „Berg“. Das Hexagramm symbolisiert das Konzept des Reisens und des Übergangs. Es stellt eine Situation dar, in der man sich nicht an einem festen Ort befindet, sondern unterwegs ist, sei es physisch, geistig oder emotional.

Struktur und Bedeutung

  • Oben: Li (Feuer)
  • Unten: Gen (Berg)

Das Trigramm Li symbolisiert Klarheit, Einsicht und Beständigkeit, während Gen für Stille, Stabilität und Begrenzung steht. Die Kombination dieser beiden Trigramme im Hexagramm „Der Wanderer“ suggeriert eine Situation, in der man sich auf einer Reise befindet, aber gleichzeitig eine innere Klarheit und Ruhe bewahren muss.

Traditionelle Interpretation

In der traditionellen Interpretation bedeutet das Hexagramm „Der Wanderer“, dass man sich in einer Lage befindet, in der man sich nicht zu Hause fühlt oder keine dauerhafte Basis hat. Dies kann auf eine physische Reise, wie das Umziehen in eine neue Stadt, oder auf eine metaphorische Reise, wie eine Veränderung im Leben oder in der Karriere, hinweisen. Der Wanderer muss vorsichtig sein, nicht zu viele Wurzeln zu schlagen, sondern flexibel und anpassungsfähig bleiben.

Die Linien des Hexagramms

Jede der sechs Linien im Hexagramm bietet spezifische Einsichten:

  1. Erste Linie (unten): Der Wanderer verhält sich höflich und vorsichtig. Gute Vorzeichen, wenn man demütig bleibt.
  2. Zweite Linie: Schwierigkeiten und Unsicherheiten auf der Reise. Man muss sich anpassen und geduldig sein.
  3. Dritte Linie: Der Wanderer kann von äußeren Umständen bedrängt werden. Es ist ratsam, Vorsicht walten zu lassen.
  4. Vierte Linie: Stabilität und Erfolg sind erreichbar, wenn man sich auf seine Fähigkeiten und innere Klarheit verlässt.
  5. Fünfte Linie: Man findet Unterstützung und Anerkennung auf der Reise. Es ist wichtig, die Hilfe anderer anzunehmen.
  6. Sechste Linie (oben): Der Wanderer kann in Schwierigkeiten geraten, wenn er zu selbstbewusst oder unvorsichtig wird. Bescheidenheit ist der Schlüssel.

Moderne Deutung

Im modernen Kontext kann „Der Wanderer“ als Symbol für persönliche Entwicklung, berufliche Veränderung oder geistige Suche interpretiert werden. Es betont die Notwendigkeit, flexibel zu bleiben und sich an neue Umstände anzupassen. Gleichzeitig erinnert es daran, dass Klarheit und innere Ruhe entscheidend sind, um erfolgreich durch Zeiten des Wandels zu navigieren.

Anwendung auf die heutige Zeit

  1. Karriere und Beruf: In der heutigen dynamischen Arbeitswelt symbolisiert „Der Wanderer“ die Notwendigkeit, sich ständig weiterzubilden und offen für neue Möglichkeiten zu sein. Es rät, Mobilität und Flexibilität zu bewahren, um den sich ändernden Marktbedingungen gerecht zu werden.
  2. Persönliche Entwicklung: Auf persönlicher Ebene erinnert das Hexagramm daran, dass das Leben eine Reise ist und man sich nicht in einer Komfortzone einrichten sollte. Ständiges Lernen und Wachstum sind wesentliche Aspekte des modernen Lebens.
  3. Geistige Suche: In spiritueller Hinsicht kann „Der Wanderer“ die Suche nach Erleuchtung und innerem Frieden symbolisieren. Es betont die Bedeutung von Selbstreflexion und Meditation, um Klarheit und Ruhe zu finden.

Praktische Ratschläge

  • Flexibilität: Bleiben Sie offen für Veränderungen und passen Sie sich neuen Situationen an.
  • Geduld: Akzeptieren Sie, dass der Weg unsicher sein kann, und bewahren Sie Geduld.
  • Selbstreflexion: Nutzen Sie die Reise als Gelegenheit zur Selbstreflexion und persönlichen Wachstum.
  • Unterstützung annehmen: Seien Sie bereit, Hilfe und Unterstützung von anderen anzunehmen.
  • Bescheidenheit: Bleiben Sie demütig und vermeiden Sie Überheblichkeit.

Fazit

Hexagramm 56, „Der Wanderer“, ist ein kraftvolles Symbol für Übergang und Veränderung. Es bietet wertvolle Einsichten sowohl in traditionellen als auch in modernen Kontexten. Es erinnert uns daran, dass das Leben eine Reise ist, die Flexibilität, Geduld und innere Klarheit erfordert. Indem wir diese Prinzipien anwenden, können wir erfolgreich und harmonisch durch die Herausforderungen des Lebens navigieren.

Powerhitter

Ich habe Anfang der 90er Jahre Baseball gespielt, ein vor allem im Norden selten ausgeübter Sport. Der FC St. Pauli spielte damals 1. Bundesliga Fußball (auch selten).

Damals gab es noch Halbzeitprogramme, meist vom örtlichen Turnverein oder Autohaus. Einmal, gegen Köln, waren wir dran.

Jeder wollte einen Homerun schlagen vor den halb gefüllten Rängen — niemand schaffte einen. Immerhin, einen Ball traf ich so, dass er hinter mir übers Stadiondach flog.

Das Publikum johlte.


Warum ich heute daran denke? Mein Team, die Knights, feiern am Wochenende 40jähriges Bestehen. Da denke ich ein wenig nostalgisch an meine Karriere als ‚Powerhitter‘ zurück ;))

Vielleicht erzähle ich euch später mal von meinem persönlichen Al Bundy Moment…

Die Leute im Fediverse

„Es ist lustig“, sagte er nach einer Weile. „Was denn?“, fragte sie.

„Es ist lustig, irgendwie ist es im #Fediverse nicht anders als anderswo“, sagte er.

„Inwiefern?“

„Die Leute benehmen sich auch hier so, als schuldete man Ihnen auch nur die kleinste Erklärung“.

„Ja, und werden muksch, wenn sie keine bekommen; oder schlimmer – wenn sie eine bekommen und sie passt ihnen nicht“.

„Lustig, oder?“

„Nö, nicht wirklich“, seufzte sie.

Petras Moment

Petra war schon seitdem sie denken konnte korrekt. Nur logisch, dass sie Beamtin wurde.

Sie war immer pünktlich. Sie hielt sich an die Ordnung, die sie vorfand. Nie im Leben würde sie über eine rote Ampel gehen.

Ihr Leben war dadurch einfach und sicher. Bis heute. Der Stau vor der Bundesstraße löste sich gerade auf, sie beschleunigte sanft, als sie plötzlich das Bedürfnis empfand, Regeln zu brechen.

Sie öffnete den 3-Punkt-Gurt, atmete tief ein und es lachte laut aus ihr heraus.