Kategorien
Logbuch

Südost bringt den Frühling

Hafen von Can Pastilla, lebhafter Wind aus Südost, sonnig bei 16 Grad.

Als ich mich aus der Koje schäle, sind meine Knochen noch ein wenig steifer als die letzten Tage schon. Der Zipfel eines arktischen Tiefs hat seine Peitschenspitze nachts über die Insel geschickt. Es war sternenklar und kalt, fast wie an der Ostsee im Mai.

Eine der Gewissheiten, die auch im Mittelmeer gelten: Osten Wind givt n krüsen Büddel und n lütten Stint. Gewiss, wenn er im Winter und Vorfrühling auftritt.

Anfang April und Ende November feiert die Insel ihren Frühling zweimal. Der eine als Belohnung fürs Durchhalten der heißen, der andere für die dunkle Zeit. Richtig kalt wird es einem Nordlicht hier ja nie. Aber die Dunkelheit, die zehrt genauso wie zuhause.

Ostern, so erzählt es Carmen aus der Bodega am kleinen Marktplatz vor der Kirche, reissen wir uns auf Mallorca alle die Winterklamotten vom Leib und springen ins Meer.

Danach ist Badehose und Flip-Flops angesagt. Sommer. Rituelle Häutung auf Knopfdruck quasi, jedes Jahr wieder.

Der Frühling ist eben überall wann anners da, aber kommen tut er bisher immer. Das ist gewiß, glaubt zumindest Carmen. Ich bin mir da nicht mehr so sicher. Deswegen bin ich ja hier.

Als ich meine Nase aus der Kajüte strecke, weht mir der kühle Wind um die Nase, und es riecht nach frischem Kaffee. Ewalds Morgengruß aus dem Nachbarcockpit folgt dem Duft.

Ewald und Andreas sind Kölner, und ein Paar. Beide sind hier bewußt vor Anker gegangen. Nicht geflohen, wie ich, sondern planvoll ausgewandert. Sie haben drei Kabinen. Eine für jeden (Ewald schnarcht, sagt Andreas) und eine für Besuch aus dem Rheinland.

Ich bewundere soviel Voraussicht. Ich handle ja eher pulsiv und zahle dann eine Weile die Strafe für die Panik.

„Kommst du mit?“, fragt Ewald, „wir wollen heute nach Algaida, Sopa essen“. Beide haben sich ein Auto für einen Tag gemietet. Für nur zehn Euro mit allem pipapo.

In Palma und Umgebung kommt man gut mit Bus und Fahrrad aus (es gibt sogar ne U-Bahn), Parkplätze kosten hier soviel wie eine 2-Zimmerwohnung in Bonn, sagt Andreas.

Will man ins Inland, kann man Busfahren auf Mallorca vergessen. Da ist Ewald mal zufällig seiner Meinung.

„Nein, danke“, sage ich, dabei ist die Sopa Mallorquina, eine trockene Kohlsuppe, mein lokales Lieblingsgericht. Vor allem die aus Algaida. Aber das ist eine andere Geschichte.

Ich bleibe heute im Yachthafen, so der Plan. Ich will mich auf die Mole setzen und jungen Menschen aus aller Welt zuschauen, wie sie die Copa Sofía aussegeln (hat schon was, eine Regatta nach einer waschechten Prinzessin benennen zu können). Seit Tagen schon wuseln einhundert kleine Jollen mit ihren Seglern im Hafen herum. Verwandeln diesen Ort des muffigen Luxus in etwas lebendiges. Das liebe ich am Segeln so, das kann kein anderer Sport: so unheilvoll elitär und lebendig jung zugleich zu sein.

Laser-Teams aus Kiel, aus Bengalen, den USA, Indien und Australien sehe ich. Die ganze Welt ist da, und freut sich über den frischen Wind aus Südost.

Ich setze mich gemütlich auf die Mole und schaue den ganzen Tag aufs Meer: Seglerinnen und Kitern beim Wettsegeln zu. Ein Leben in Dreiecken.

Der Winter ist vorbei, sage ich still zu mir selbst und lächle, das Leben auf dem Wasser beginnt wieder.

Verpasse keinen Beitrag!

Abonniere meinen Newsletter kostenlos - kein Spam, keine Werbung, nur Prosa!

Von Erik H.

Autor + Podcaster; liebt Segeln + den FC Sankt Pauli.
>> Hier findest Du alle meine Blogs und Podcasts.

2 Antworten auf „Südost bringt den Frühling“

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert